Mittwoch, 16. März 2022

7 Aspekte für emotionale Gesundheit in einer rationalen Gesellschaft

In den aktuellen Zeiten schneller Veränderung und eines transformierenden Weltgeschehens, drängt sich immer mehr die Frage auf, wie Du emotional gesund bleiben kannst in einer rationalen Gesellschaft. Bei vielen Menschen kommen zunehmend emotionale Themen an die Oberfläche und zwischenmenschliche Konflikte scheinen mehr und mehr zuzunehmen. Um durch diese wilden Zeiten einigermaßen sicher hindurch zu navigieren, ist es umso entscheidender, Dich um Deine emotionale Gesundheit zu kümmern. Um emotional gesund zu bleiben, sind 7 Aspekte entscheidend, die wir im Folgenden beleuchten werden.

 

  1. Bewusstheit über Deine aktuelle Haltung in Bezug auf Gefühle
  2. Bewusstheit über Deine Taubheitsschwelle
  3. Wechsel zu einer neuen Sichtweise auf Gefühle
  4. Lernen, bewusst zu fühlen
  5. Gefühle klar von Emotionen unterscheiden
  6. Alte Emotionen auflösen
  7. Gefühle bewusst und verantwortlich als Navigationssystem nutzen

Lass uns einmal schauen, was sich hinter jedem dieser Aspekte verbirgt.

 

1.    Bewusstheit über Deine aktuelle Haltung in Bezug auf Gefühle

Für emotionale Gesundheit ist es im ersten Schritt einmal notwendig, zu klären, welche Haltung Du in Bezug auf Gefühle hast. Die meisten Menschen tragen – durch die Erziehung und die Gesellschaft geprägt – unbewusst eine Haltung in sich, die besagt, dass Gefühle nicht okay sind. Dabei haben wir noch nicht einmal Klarheit darüber, wie viele Gefühle es überhaupt gibt. Wir schmeißen stattdessen diverse Begriffe in den Topf „Gefühle“ z. B. „Ich fühle mich ausgelaugt, verwirrt, müde, glücklich, ängstlich, genervt, erschöpft, prima, erholt, entspannt, komisch, ….“. Doch die meisten davon haben gar nichts mit Gefühlen zu tun.

Um einmal Licht ins Dunkel zu bringen: Insgesamt gibt es vier große Gefühlsterritorien, die unterschieden werden können: Wut, Traurigkeit, Angst und Freude. Es gibt noch weitere Begriffe für Gefühle, die jedoch häufig zu einem der großen Territorien gehören (z. B. gehört Nervosität in das Territorium der Angst, während Groll in das Territorium der Wut gehört) oder aber eine Vermischung von Gefühlen darstellen (z. B. ist „frustriert“ eine Mischung aus Wut und Traurigkeit und „verzweifelt“ eine Mischung aus Angst und Traurigkeit).

Doch selbst mit der Klarheit, dass es nur diese 4 Gefühle gibt, bleibt zunächst die Haltung, dass Gefühle nicht okay sind. Sie sind vielleicht zuhause im stillen Kämmerlein okay, aber definitiv nicht in der Öffentlichkeit. Wer Gefühle zeigt, gilt als schwach, unprofessionell und nicht resilient. Konkret wird Wut tituliert als irrational, zerstörerisch, unzivilisiert, gefährlich und unprofessionell. Traurigkeit ist nach gängiger Meinung schwach, emotional, zieht andere runter, ist ebenfalls unprofessionell und unangenehm; während Angst als feige, instabil, lähmend, inkompetent und nervenaufreibend dargestellt wird. Freude ist hingegen in Maßen noch in Ordnung, doch wenn Du zu viel Freude zeigst, bist Du unrealistisch, kindisch, albern, naiv und nimmst das Leben und die Arbeit nicht ernst.

Das ist die gängige Meinung über Gefühle. Kommt Dir diese bekannt vor?

 

2.    Bewusstheit über Deine Taubheitsschwelle

Nachdem Du Dir eingestanden hast, dass Du tatsächlich die unbewusste Haltung hattest, dass Gefühle nicht okay sind, geht es im nächsten Schritt darum, Dir bewusst zu machen, was dies für Konsequenzen hat. Dadurch dass Gefühle in der modernen Gesellschaft nicht okay sind, bist Du möglicherweise sehr gut darin trainiert, Gefühle wegzudrücken. Die meisten Menschen haben dadurch eine extrem hohe Taubheitsschwelle installiert. Was bedeutet das? Nun, es bedeutet, dass auf einer Skala von 0% bis 100% ein Gefühl, z. B. die Wut, sehr groß werden muss, bis Du es als solches wahrnimmst. Häufig liegt diese Taubheitsschwelle bei 80%, d. h. alles, was darunter liegt, nimmst Du nicht bewusst als Wut wahr. Es beginnt vielleicht damit, dass eins zum anderen kommt, Du Dich ein wenig komisch oder auch angespannt fühlst. Dann passieren noch ein paar Dinge in Deinem Alltag, die Anspannung steigt und irgendwann, bei 80% kommt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Dann explodierst Du, es wird entweder laut, ein Streit bricht los oder Du verlässt wütend den Raum. Danach sagst Du Dir dann, dass dies nicht noch einmal passieren darf, sondern Du Dich das nächste Mal wieder besser im Griff haben musst. Also tust Du alles dafür, um die Taubheitsschwelle wieder hoch zu halten durch Ablenkung (z. B. Fernsehen, Social Media, viel Sport, Essen, Alkohol, Rauchen, viel Arbeiten, etc.). So passt Du weiterhin in die Gesellschaft, in der Gefühle nicht okay sind.

Wie hältst Du Deine Taubheitsschwelle hoch?

 

3.    Wechsel zu einer neuen Sichtweise auf Gefühle

Wenn Du Dir eingestehst, dass Du die alte Sichtweise auf Gefühle hast, und tatsächlich Deine Taubheitsschwelle durch Ablenkung hoch hältst, dann ist es an der Zeit, Deine Sichtweise auf Gefühle zu wechseln, denn nur so kannst Du emotional gesund werden bzw. bleiben. Während die alte Annahme darauf basierte, dass Gefühle nicht okay sind beinhaltet die neue Annahme folgendes:

 

Gefühle sind neutrale Energie und Information, die Dir dienen.

 

Gefühle sind kein Design-Fehler des Universums. Sie sind stattdessen ein glasklares Navigationssystem, dass Dich zielsicher durch Dein Leben leitet. Du brauchst beispielsweise Deine Wut, um klare Grenzen zu setzen, Entscheidungen zu treffen, klar Ja/Nein zu sagen, Ungerechtigkeit zu erkennen, in Aktion zu treten und Maßnahmen zu ergreifen und für Dich einzustehen. Traurigkeit ist eine großartige Gefühlskraft, um sich mitzuteilen, verletzlich zu zeigen, Dinge loszulassen, Mitgefühl zu entwickeln und anderen Raum zu geben. Angst dient Dir  dazu, Gefahren zu erkennen, Risiken abzuschätzen, aufmerksam und präsent zu sein, im Nichtwissen zu stehen und Neues auszuprobieren; während Du Freude nutzen kannst, um begeistert zu sein, andere zu inspirieren, zu experimentieren, Deine Visionen zu verfolgen und voranzugehen.

 

4.    Lernen, bewusst zu fühlen

Mit der neuen Sichtweise, dass Gefühle neutrale Energie und Information sind, die Dir dienen, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu emotionaler Gesundheit der, zu lernen, wieder bewusst zu fühlen. Das bedeutet, Du lernst die Gefühle wieder wahrzunehmen und klar und unvermischt auszudrücken. (Hinweis: Wenn Du damit zuhause beginnen möchtest, ist ein großartiger Übungssatz folgender: „Ich fühle mich wütend, ängstlich, traurig, froh, weil…“). Darüber hinaus ist es entscheidend, die Gefühle wieder in Besitz zu nehmen. Mit der alten Sichtweise könnte es Dir passieren, dass Du den Eindruck hast, dass Dich die Gefühle übermannen und Dich besitzen und Dich beispielsweise die Angst im Griff hat. Doch wenn Du in einem sicheren Trainingsraum erlebst, die Gefühle jeweils bis 100% Maximum zu fühlen, dann wirst Du feststellen, dass Du das Gefühl besitzt und nicht umgekehrt. Das ist der Punkt, an dem Du beginnen kannst, die Gefühle bewusst zu navigieren.

 

5.    Gefühle klar von Emotionen unterscheiden

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, Klarheit darüber zu bekommen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Gefühlen und Emotionen. Vielleicht bist Du jetzt erstaunt, denn auch diese beiden Begriffe schmeißen wir gewöhnlich in einen Topf. Es gibt jedoch einen gravierenden Unterschied:

       Gefühle (Wut, Freude, Traurigkeit, Angst) entstehen im Hier und Jetzt. Wenn Du sie bewusst und verantwortlich nutzt, verschwinden sie danach direkt.

       Emotionen sind hingegen entweder unvollendete Gefühle aus der Vergangenheit (z. B. aus der Kindheit oder aus späteren, gravierenden Situationen, in denen es zu gefährlich war, die Gefühle auszudrücken), oder es sind übernommene Gefühle, d. h. übernommen z. B. von Eltern, Lehrern, Marken, Religion, etc.

Emotionen fühlen sich zwar genauso an wie Gefühle, dauern aber länger, in der Regel länger als 3 Minuten. Vielleicht ist es Dir z. B. schon passiert, dass Du ein Gespräch mit jemandem hattest, diese Person hat einen roten Knopf bei Dir gedrückt und Du wurdest richtig wütend. Einen Tag später warst Du möglicherweise immer noch sauer. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die Person eine alte Emotion bei Dir getriggert hat. Das bedeutet, die Person war zwar der Auslöser, doch das, was Du gefühlt hast, hatte nichts mit ihr zu tun, sondern war viel älter. Wenn wir die Unterscheidung jedoch nicht kennen, projizieren wir sofort unsere aufwallende Emotion auf die andere Person bzw. Situation, sodass es meist zum Streit kommt. Es ist also entscheidend, zum einen zu lernen, Emotionen von Gefühlen zu unterscheiden und zum anderen die sogenannte Lücke zu machen. Das bedeutet, dass Du den Moment, in dem die Emotion aufkommt, bewusst wahrnimmst und im nächsten Schritt den Mechanismus der automatischen, emotionalen Reaktion unterbrichst.

 

6.    Alte Emotionen auflösen

Die spannende Frage ist natürlich, was machst Du, wenn jemand eine alte Emotion bei Dir triggert. Angenommen, Du hast wie im vorherigen Absatz beschrieben, die Lücke gemacht, so besteht der nächste Schritt darin, die alte Emotion aufzulösen. In einer konkreten Situation kann es daher hilfreich sein, zunächst aufzuschreiben, was der Auslöser war, welche alte Emotion (Wut, Freude, Traurigkeit Angst) damit einherging und  welche möglichen Glaubenssätze mit der alten Emotion verknüpft sind. Diese alten Emotionen und Glaubenssätze kannst Du dann in Form von bewusster Gefühlsarbeit in einem sicheren Trainingsraum wandeln, sodass Du kraftvolle, neue Entscheidungen in Deinem Körper verankerst, die Dir jetzt im Leben dienen.

 

7.    Gefühle bewusst und verantwortlich als Navigationssystem nutzen

Sobald Du die obigen Schritte durchlaufen hast, kannst Du mit der neuen Sichtweise die Gefühle bewusst und verantwortlich nutzen, indem Du z. B. die Wut nutzt, um Grenzen zu setzen oder die Angst, um wach und präsent zu sein. Allein die neue Sichtweise auf Gefühle intellektuell verstanden zu haben und die restlichen Schritte zu überspringen, nützt Dir nicht viel. Wie willst Du beispielsweise die Wut verantwortlich nutzen, wenn Du nicht unterscheiden kannst, ob es sich um ein Gefühl im Hier und Jetzt oder um eine alte Emotion handelt? Wie willst Du sie nutzen, wenn Du Deine Taubheitsschwelle aufgrund Deiner alten Überlebensstrategie noch so hoch hältst, dass Du die Wut erst spürst, wenn sie emotional 80% erreicht?

 

Auf dem Weg zu emotionaler Gesundheit gibt es leider keine Abkürzung. Doch schon mit ein wenig Praxis kannst Du riesige Schritte gehen, sodass Du dem Ziel, die Gefühle als inneres Navigationssystem zu nutzen, schnell näher kommst.

Herzliche Grüße,
Nicola Neumann-Mangoldt


 

Buch-Tipp:

Wenn Du tiefer in das Thema Gefühle einsteigen möchtest, so kann ich Dir die Bücher zweier Trainer Kollegen empfehlen:

1. „Gefühle“ von Patrizia Patz

2. „Die Kraft des bewussten Fühlens“ von Clinton Callahan

 

www.viva-essenza.com
INSPIRATION, DIE BEWEGT!

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