Montag, 15. Oktober 2012

Der Lauf im Hamsterrad - Vom Irrsinn des täglichen Lebens.



Ist es nicht ein absoluter Irrsinn, den wir Menschen betreiben? Die meisten arbeiten tagein, tagaus, von morgens bis abends, jonglieren mit Terminen und diversen Verpflichtungen und wissen oft gar nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. Sätze wie „Puh, das ist alles so viel“ oder „Ich weiß gar nicht, wie ich das schaffen soll“ oder „Ich habe keine Zeit“ sind Gang und Gäbe. Kommen Ihnen diese Sätze bekannt vor?

ZEIT! Ein sehr kostbares Gut heutzutage. Das Paradoxe ist, dass wir ständig im Hamsterrad des Alltags rennen und meinen keine Zeit zu haben, doch gleichzeitig zu 100% dafür verantwortlich sind, was wir mit unserer Zeit machen.

Oh! Da gibt es bereits bei dem ein oder anderen die ersten Irritationen. Denn bitteschön, schließlich verlangt der Job doch so viel Zeit, Mühe, Gerödel und Gerenne. Oder die Kinder, die zum Schwimmen, Musizieren, den Pfadfindern oder sonst wohin gekarrt werden wollen. Aha, ist das so? Lassen Sie mich eine wichtige Frage stellen. Wer hat sich Ihren Job ausgesucht? Wer hat gewählt, eine Familie zu haben? Wer hat entschieden, eine bestimmte Herausforderung im Leben anzunehmen? YEP! Sie liegen absolut richtig, SIE SELBST. 

Diejenigen, die also meinen, dass alle anderen an Ihrer Zeit-Misere Schuld sind (oder auch an vielen anderen Dingen in ihrem Leben), muss ich leider der Illusion des bequemen Opfer Daseins berauben. Das einzige, was Ihnen bequemes Opfer-Dasein bringt, ist Jammern auf höchstem  Niveau, schlechte Laune und graue Haare. Ansonsten gar nichts.

Viel interessanter wird es, wenn Sie sich bewusst machen, dass Sie Ihre eigene Zeitmaschine sind. Sie sind ein Zeitmacher. Sie selbst bestimmen in Ihrem Leben, wie viel Zeit Sie für eine bestimmte Tätigkeit aufbringen. Niemand anderes. Wenn Sie sich getrieben fühlen, sind Sie Opfer der Umstände. Wenn Sie sich hingegen bewusst entscheiden, für etwas Zeit aufzuwenden, dann haben Sie das Ruder in der Hand und können somit auch jederzeit in eine andere Richtung steuern. Ein kleiner, aber bedeutender Unterschied.

Sie fühlen sich zum Beispiel gestresst, weil Sie schon wieder spät dran sind und es vielleicht gerade noch so zum nächsten Termin schaffen? Wer könnte seine Zeit anders planen und sich verpflichten, 10 Minuten eher loszufahren? „Ja, aber…“ tönt da vielleicht die ein oder andere Stimme, „Wenn der Termin vorher bereits zu lange dauert und ich deswegen in Zeitbedrängnis für den nächsten Termin laufe?“ Tolle Opfergeschichte! Planen Sie Zeitpuffer ein. Wenn ein Termin bis 15 Uhr angesetzt ist und Sie dann definitiv los müssen, um bei Ihrem Kunden um 16 Uhr den nächsten Termin wahrnehmen zu können, dann seien Sie nicht Opfer der Zeit, wenn der vorherige Termin um 15 Uhr noch nicht beendet ist. Wenn der vorherige Besprechungsleiter sein Meeting nicht gut genug zeitlich geplant hat, wessen Problem ist es dann? Definitiv nicht Ihres. Stehen Sie auf und kommen Sie Ihrer Verpflichtung nach, pünktlich und entspannt bei Ihrem nächsten Termin zu sein. Was denken Sie, wie viel Zeit und Geld eingespart würde, wenn es keine überzogenen Meetings mehr gäbe.

Gleiches gilt für das Privatleben. Sie haben Ihren Bekannten klar gesagt, dass Sie nur bis 21 Uhr bleiben können, weil Sie dann den Babysitter ablösen müssen? Dann bleiben Sie nicht aus gespielter Höflichkeit bis 21.15 Uhr, nur um es diesen Menschen recht zu machen und anschließend mit Vollgas und entsprechendem Risiko nach Hause zu rasen.

Nun kann es jedoch passieren, dass es einfach sehr viele Projekte und Aufgaben in Ihrem Leben gibt, denen Sie sich gleichzeitig verpflichtet haben. Da kann es sehr leicht passieren, dass man den Überblick verliert und vor lauter Aufgaben nicht mehr weiß, was man zuerst machen und wie man sich die Zeit einteilen soll. Falls Sie sich in solch einem Hamsterrad wiederfinden und verzweifelt nach der Bremse oder der Gangschaltung suchen, um Herr der Lage zu werden, kann es hilfreich sein, die verschiedenen Aufgaben auf Ihrem Tisch zu nach ihrer Dringlichkeit und Wichtigkeit zu klassifizieren. Dabei gibt es 4 Kategorien:

1.    Dinge, die NICHT dringend und NICHT wichtig sind - STREICHEN
In diese Kategorie fallen Dinge, die ich gerne als „nice to have“ oder als „nettes Blümchen auf dem Tisch“ bezeichne. Es sind Aufgaben, die weder wichtig, noch dringend sind und deren Erledigungs-Priorität sehr niedrig, wenn nicht gar null ist. Zum Beispiel:
  • Dem Kollegen, der gefragt hat, ob ich einen guten Italiener kenne, noch zusätzlich eine Liste mit den besten Restaurants der Stadt erstellen.
  • Eine neue Pflanze für das Büro kaufen.
  • Die Gartenmöbel in einer neuen Farbe lackieren.
  • Die Gardinen waschen.
  • Den Keller oder Dachboden ausmisten.
  • Im Sommer bereits über Weihnachtsgeschenke nachdenken.
  • Bei Gelegenheit die Tarife für Strom und Telefon online vergleichen.

Diese Dinge können Sie getrost von Ihrer Liste streichen, denn ob sie getan oder nicht getan werden, ist ungefähr so bedeutend wie ein Sack Reis, der in China umfällt. Wenn Sie diese Dinge nicht tun, geht die Welt nicht unter und weder Sie noch jemand anderes leidet darunter.

2.    Dinge, die SEHR dringend, aber NICHT wichtig sind – DELEGIEREN
In dieser Kategorie wird es bereits brenzliger, denn hier sitzt Ihnen womöglich ein Termin im Nacken. Auch wenn die Aufgabe für Sie selbst nicht wirklich wichtig ist bzw. es Ihnen egal ist, auf welchem Weg sie erledigt wird, so muss sie doch erledigt werden. Zum Beispiel:

  • Ein Flugticket und ein Hotel für das Business-Meeting in Rom buchen.
  • Einem Kunden die allgemeinen Unterlagen über Ihre Firma und die Produktpalette schicken.
  • Termine mit 5 potentiellen Kunden vereinbaren.
  • Einen Seminarraum für den Abteilungsworkshop nächste Woche organisieren.
  • Neues Büromaterial bestellen.
  • Die Hemden vor Ladenschluss aus der Reinigung abholen.
  • Mit Oma klären, ob die Kinder am Mittwoch bei ihr übernachten können.

Dies sind Aufgaben, die Sie delegieren können. Diese Dinge müssen zwar erledigt werden, doch ist es nicht erforderlich, dass Sie es persönlich erledigen. Ob durch die Sekretärin, einen anderen Kollegen, den Partner, die Kinder, Hauptsache die Aufgabe wird erledigt. Zum Beispiel fand ich als Teenager, wenn ich früher aus der Schule kam, häufig einen Zettel meiner Mutter auf dem Küchentisch, der da sagte „Bitte schon mal Kartoffeln schälen / Salat vorbereiten / Gemüseauflauf schichten. Komme um 13 Uhr.“ Wenn die Zeit also knapp war, die Familien-Bäuche aber gefüllt werden wollten, war das eine sehr elegante Art meiner Mutter, durch Delegieren Zeit zu schaffen, damit das Mittagessen dennoch pronto auf dem Tisch stand und alle Familienmitglieder anschließend pünktlich zu ihren Nachmittags-aktivitäten aufbrechen konnten.  

3.    Dinge, die SEHR dringend und SEHR wichtig sind - PRIORISIEREN
  • Den Personalausweis und Reisepass vor dem Auslandsurlaub nächste Woche verlängern lassen.
  • Das vom Kunden geforderte Angebot bis heute Abend fertigstellen und rausschicken.
  • Den Kollegen aus der Produktentwicklung umgehend sagen, dass der Kunde eine Änderung an der Spezifikation vorgenommen hat.
  • Die Präsentation für die Vorstandssitzung, die in einer Stunde beginnt, vorbereiten.
  • Neue Texte für die Webseite erstellen und freischalten, bevor die Firmenveranstaltung übermorgen beginnt.
  • Um 18 Uhr den kleinen Sohn vom Pfadfinder-Treffpunkt abholen.
  • Einen Babysitter für heute Abend organisieren.

Diese Kategorie von Dingen verlangt kurzfristige bzw. sofortige Erledigung. Ein Aufschub ist nicht möglich. Vor allem aber verlangen diese Aufgaben Ihren direkten Einsatz. Diese Themen sind zu wichtig, als dass sie verschoben oder von jemand anderem erledigt werden könnten. Gibt es mehrere Dinge, die sowohl dringend als auch sehr wichtig sind, so gilt es, diese zu priorisieren, um klaren Kopf zu behalten. Was kommt zuerst? Was kann zeitlich vielleicht ein, zwei Stunden später erfolgen?

4.    Dinge, die NICHT dringend, aber SEHR wichtig sind – HYPER-NETZWERKEN
Die vierte Kategorie an Dingen ist sehr spannend. Hierbei handelt es sich nämlich um Dinge, die Ihnen persönlich sehr wichtig sind, die jedoch keine Dringlichkeit besitzen. Es sind vielmehr Dinge, die Sie vielleicht immer schon einmal machen wollten, wenn Sie denn endlich einmal Zeit hätten. Gleichzeitig sind es jedoch Dinge und Themen, die Sie nähren und inspirieren. Zum Beispiel:

  • Eine Reise zu indianischen Eingeborenen im Amazonas machen.
  • Ihren Partner mit einem außergewöhnlichen Abend überraschen, den Sie selbst kreieren.
  • Einen Vortrag zum Thema Gefühle vor 300 Menschen halten.
  • Einen Paragliding Flug vom Mont Blanc starten.
  • Ein Buch schreiben.
  • Argentinischen Tango lernen.
  • Sich mit Leuten weltweit vernetzen, die tragfähige Lebensweise erforschen.
  • Das Dachgeschoss in Ihrem Haus eigenhändig zu einer großen Dachterrasse umbauen.

Sie tragen ein Projekt oder einen Traum in sich, oder vielleicht auch mehrere, die sie angehen würden, wenn Sie endlich mal Zeit und die nötigen Ressourcen hätten. Etwas, das sie begeistert. Dinge, die Ihnen persönlich am Herzen liegen, die Sie in Freude versetzen, jedoch aufgrund des übervollen Terminplans immer wieder hinten runterfallen. Manchmal fehlt Ihnen zur Realisierung einfach auch nur der letzte Input, die letzte Idee, der letzte Anstoß. Solche Themen gehen Sie am besten über das sogenannte „Hyper-Netzwerken“ an. Das bedeutet konkret, dass Sie andere Menschen, unabhängig von ihrem Status, ihrer Position, Religion, Kultur, Alter, Geschlecht, etc. um Ressourcenaustausch bitten. Jeder Mensch ist eine Quelle von Fülle. Jeder Mensch hat Ideen, Ressourcen, Kontakte, Fähigkeiten. Einige haben vielleicht auch die nötigen finanziellen Mittel, oder Verbindungen und Erfahrungen, die Sie zur Realisierung Ihres persönlichen Projekts benötigen.

Lassen Sie mich ein simples Beispiel geben. In einem meiner Trainings habe ich dieses Hypernetzwerken mit den Teilnehmern durchgeführt. Eine Teilnehmerin erzählte mir von ihrem Projekt, dass sie für ihren Mann zum Geburtstag gerne eine Steinpyramide selbst bauen wolle, da er für Pyramiden einen Fabel habe. Sie habe jedoch festgestellt, dass sie dafür spezielles, teures Werkzeug zum Durchbohren von Steinen benötige, das sie nicht finanzieren könne. Ich konnte ihr umgehend helfen, denn ich hatte einen Bekannten, der selbst Steinmetz war und über genau das notwendige Werkzeug verfügte. Ich stellte den Kontakt zwischen beiden her und er bohrte in null-komma-nichts kostenlos die Löcher in die Steine. So konnte Sie Ihrem Mann eine großartige Geburtstagsüberraschung bereiten.

Experiment 1: Kategorisieren Sie Ihre Aufgabenliste
Schreiben Sie einmal alle aktuell anfallenden Aufgaben auf ein Blatt Papier. An was müssen Sie alles denken, was müssen Sie noch erledigen, was dürfen sie auf keinen Fall vergessen? Schreiben Sie wirklich alle Dinge auf, die auf Erledigung warten.

Nun schauen Sie sich die Liste an. Schreiben Sie dann links neben die Punkte, in welche der Kategorien 1 bis 4 die entsprechende Aufgabe fällt.

Wichtig ist dabei, dass Sie die Punkte verantwortlich einschätzen und nicht neurotisch werden. Oft meinen wir, alle Dinge seien wichtig und könnten nur von uns persönlich erledigt werden. Die Einzelkämpfer-Strategie bzw. die Herangehensweise des einsamen Wolfes ist weit verbreitet, denn das ist die Strategie, die wir im Patriarchat lernen. Nur wer alles weiß und selbst meistern kann ist heldenhaft. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche. Früher habe ich eher mit zwei langen Kochlöffeln in der Kaffeeküche der Firma das letzte Glas aus dem obersten Regal gehangelt, als dass ich den 1,92m großen Kollegen, der neben mir stand, gefragt hätte, ob er mir das Glas herunter reichen kann.

Wir sind brillant darin trainiert, alles selbst zu schaffen, um im Job und auch im Privatleben Anerkennung einzuheimsen. Es herrscht der unbewusste Irrglaube, man sei nur vollwertig, wenn man gestresst sei, denn das ist schließlich ein Beweis dafür, wie viele Dinge man zu tun hat und wie wichtig man daher ist. Wir sind eine Leistungs-Gesellschaft, eine Wettkampf-Gesellschaft in der das Wort Team immer mehr zur Farce geworden und Stress bzw. die Drehzahl unseres Hamsterrades als Messlatte für Leistung geworden ist. Traurig, aber wahr. 
Glücklicherweise wachen immer mehr Menschen auf und stellen fest „Das kann es doch nicht sein!“ Alte Pfade zu verlassen kann jedoch mitunter eine Herausforderung sein. Allein die Tatsache, andere - womöglich fremde - Menschen um Unterstützung zu bitten (wie beim Hyper-Netzwerken), kann zunächst beängstigend sein. Sie begeben sich in dem Moment in unbekanntes Gebiet, denn Sie geben etwas von sich preis und werden dadurch verwundbar. Doch eines ist dabei garantiert: Lebendigkeit, Bereicherung und Spaß auf höchstem Niveau.

Experiment 2: Planen Sie SEINS-Phasen ein
Sich mehr Raum und Zeit zu schaffen, indem Sie Dinge streichen, delegieren oder um Unterstützung bitten, ist die eine Sache. Lassen Sie uns nun noch einmal auf das Thema zurück kommen, dass Sie Ihre eigene Zeitmaschine sind. Wie oft räumen Sie sich bewusst ZEIT FÜR SICH ein? Wie oft haben Sie in Ihrem Terminkalender einen Zeitraum für sich selbst geblockt, in dem Sie bewusst eine Auszeit nehmen, bei sich ankommen und vielleicht sogar  NICHTS tun? Solche kurzen Auszeiten sind essenziell, wenn Sie an eine andere Weisheit als Ihren logischen Verstand anknüpfen wollen.

Schauen Sie sich einmal Ihren Terminkalender für diese Woche an. Tragen Sie nun – abgesehen vom Wochenende – unter der Woche jeden Tag einen 10-minütigen Termin ein, der Ihnen persönlich gewidmet ist. Sie können diesen Zeit-Slot als Ihren persönlichen Auszeit-Block deklarieren. In der Zeit gehen Sie nicht ans Telefon, lesen keine E-Mails, surfen nicht im Internet, reden nicht mit Kollegen. Nada. Finden Sie stattdessen einen ruhigen Ort, genießen Sie bewusst und in Ruhe einen schaumüberdeckten Cappuccino oder schauen Sie bewusst aus dem Fenster und nehmen Sie die Schönheit der Herbstfarben in sich auf. Machen Sie sich bewusst, dass Sie gerade in diesem Moment Zeit für sich geschaffen haben. Atmen Sie ein paar Mal tief und entspannt ein und aus, seien Sie präsent in diesem Augenblick, ohne an das zu denken, was Sie dann im Anschluss noch alles erledigen müssen. Bauen Sie Entschleunigungs-Phasen ein. Diese müssen nicht jedes Mal 1 Stunde dauern. Es geht darum, dass Sie durch kurze Zeit-Blocker, Bewusstheit darüber bekommen, dass Sie in jedem Moment ein Zeitmacher sind. Sogar jetzt, in diesem Augenblick, machen Sie Zeit dafür, diesen Artikel zu lesen, anstatt 12 andere noch anstehende Sachen zu erledigen. Eine großartige Möglichkeit der Entschleunigung ist übrigens auch, den Tag morgens damit zu beginnen, dass Sie 10 bis 30 Minuten still für sich dasitzen und nichts tun und sich auf den Tag einstimmen. 

Der Trick, das Hamsterrad zum Stehen zu bringen, liegt darin, einfach nicht mehr wie ferngesteuert zu rennen, weil Sie meinen anderen genügen oder gefallen zu müssen, sondern selbst Verantwortung zu übernehmen, die Hand an die Gangschaltung zu legen und den Fuß auf die Bremse zu setzen, um dadurch in die Geschwindigkeit zu kommen, die Ihrem persönlichen Rhythmus entspricht. Denn Zeit ist nicht Geld. Zeit ist Leben!

In diesem Sinne herzliche Grüße,
Ihre Nicola Nagel


POTENZIALE LEBEN!
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