Sonntag, 12. September 2010

Bleiben Sie entspannt – Stressmanagement im Alltag

Der Sommerurlaub war so schön und entspannend. Und jetzt ist er wieder da, der Alltag mit seinem Stress. Also rein in die Mühle der Verpflichtungen und mit etwas Glück vielleicht noch zwei, drei Tage von dem letzten Urlaub zehren. Und dann?

Kürzlich blickte ich auf einen Bergsee und staunte, wie bei aufkommendem Wind einige Surfer über das Wasser flitzten. Sie hatten eine ungeheure Geschwindigkeit drauf und schossen regelrecht wie Pfeile über den See. In dem Moment wurde mir bewusst, dass genau diese Geschwindigkeit das Leben der Gesellschaft prägt. Es scheint, als würde das Leben von Tag zu Tag schneller, als würden wir uns fast selbst überholen. In unserer hochtechnisierten Zeit, wo der Tag nach wie vor nur 24 Stunden hat, leisten die Menschen mehr als jemals zuvor und sind zusätzlich noch einer totalen Reizüberflutung durch z. B. Medien, Lärm u. ä. ausgesetzt. Die Anzahl der Personen mit Stress- oder gar Burnout-Syndrom steigt stetig. Es ist sogar schon normal, gestresst zu sein.

Im Urlaub versuchen die meisten sich vom Alltag zu „erholen“. Lassen Sie das einmal sacken. Viele Menschen versuchen in 6 Wochen Urlaub im Jahr sich vom Stress der restlichen 46 Wochen zu erholen. Das ist doch eigentlich absurd, oder? Da stimmt doch das Verhältnis nicht ganz.

Die gute Nachricht: Sie können dieses Verhältnis für sich persönlich ändern. Die schlechte Nachricht: Niemand anderes kann ihnen dabei helfen. Die Verantwortung liegt allein bei Ihnen. Sind Sie bereit für dieses Experiment?

Was ist Stress überhaupt, wie fühlt er sich an? Basierend auf persönlicher Erfahrung und der Erfahrung von Klienten lautet die Antwort oftmals, Stress sei zehrend, ermüdend, auslaugend, mache energielos oder gar aggressiv. Gestresste Personen fühlen sich oft gehetzt, sind schlecht gelaunt, weil sie keine Zeit mehr für sich haben, funktionieren nur noch und fühlen sich wie ein Hamster im Laufrad.

Ich biete Ihnen eine neue Definition an: Stress ist unter anderem die Vermischung von 4 Gefühlen.

Es gibt nur 4 Gefühle: Wut, Traurigkeit, Freude und Angst. Dies sind grundlegende Gefühlsterritorien, die verschiedene Beschreibungen umfassen. Hass würde z. B. in das Territorium Wut gehören, während Nervosität in das Territorium Angst gehört. Und: sie sind ein Teil von uns. Sie gehen niemals weg, denn sie sind unser inneres Navigationssystem. (Buch Tipp: „Die Kraft des bewussten Fühlens“ von Clinton Callahan).

In unserer Gesellschaft ist es jedoch nicht ok zu fühlen. Statt die Gefühle klar und präzise auszudrücken und sie als wertvolle Energie- und Informationsquelle zu nutzen, sind wir darin trainiert, Gefühle runterzuschlucken. Wut, Traurigkeit und Angst werden in der Regel als „negativ“ klassifiziert und Freude als „positiv“. Aber Vorsicht, wenn Sie den ganzen Tag voller Freude an ihrem Schreibtisch sitzen ist es auch wieder nicht ok. Ich bin da schon die wildesten Sachen gefragt worden: „Sag mal, ist was? Hast Du was geraucht? Bist Du auf Drogen oder hast Du nicht genug Arbeit?“. Alle 4 Gefühle werden schlichtweg als kindisch und unreif abgetan und sind bitteschön zu vermeiden. Eine weitverbreitete Tatsache, die mich persönlich übrigens traurig und auch wütend macht, weil genau das die Ursache von Stress und vielen anderen körperlichen Symptomen ist.

Das Experiment besteht darin wieder zu lernen, die 4 Gefühle bewusst wahrzunehmen, klar zu kommunizieren und sie verantwortlich als Navigationssystem zu nutzen. Das Entscheidende dabei ist, dass wir die Gefühle getrennt voneinander fühlen. Sobald wir sie vermischen, erhalten wir einen Gefühlsschleim, der uns wie ein Sumpf nach unten zieht. Vermischen Sie z. B. Wut und Traurigkeit, so erhalten Sie eine Depression. Traurigkeit und Angst miteinander vermischt beschert Ihnen das Gefühl von Isolation.* Stress hingegen fühlen Sie, wenn Sie alle 4 Gefühle gleichzeitig miteinander vermischen. Wenn Sie das dann noch über einen längeren Zeitraum machen, kommt es zum Burnout, zum mentalen Zusammenbruch.

Und so können Sie die Gefühle getrennt fühlen: Wenn Sie sich gestresst fühlen, oder merken, dass Stress aufkommt, halten Sie inne und nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit für sich. Tun Sie so, als würden Sie mit Ihren Händen in Ihren Brustkorb greifen und ziehen Sie die Gefühle wie verschieden farbige Spaghetti auseinander. Dann beschäftigen Sie sich mit jedem Gefühl einzeln. Spüren Sie hin und sagen Sie z. B. : „Ich fühle mich ängstlich, weil…..“. Anschließend gehen Sie zum nächsten Gefühl und sprechen auch dieses wieder aus, z. B.: „Ich fühle mich wütend, weil….“. Machen Sie weiter, bis Sie alle Gefühle bewusst wahrgenommen und kommuniziert haben. Sie werden merken, dass Sie plötzlich unglaubliche neue Klarheit darüber bekommen, was Sie wirklich wollen und was für Sie womöglich nicht akzeptabel ist. Und Sie werden auch merken, dass es Ihre eigenen Gedanken sind, die den Stress erzeugen. Hier ein Beispiel: Ein Bekannter sagte neulich, er sei total gestresst. Ich erzählte ihm von den Gefühlen und er machte das Experiment. Er war wütend, weil er immer mehr Arbeit auf den Tisch bekam und noch eine Präsentation für eine sehr wichtige Vorstandsbesprechung vorbereiten musste. Er fühlte sich ängstlich, weil er befürchtete, die Präsentation vielleicht nicht fertig zu bekommen und in dem Vorstandsmeeting als unfähig dazustehen. Er fühlte sich traurig, weil er sich schon seit einigen Wochen keine Zeit mehr für sich genommen hatte. Und er fühlte sich froh, weil er am Abend seine Freundin traf. Er fühlte die Gefühle getrennt voneinander, hatte Klarheit, worum es eigentlich ging und konnte dann verantwortlich in Aktion treten, Entscheidungen treffen, Prioritäten setzen und eins nach dem anderen tun.

Dies ist ein weiterer hilfreicher Aspekt: Wenn Sie die Gefühle auseinander gezogen und getrennt voneinander gefühlt haben, handeln Sie verantwortlich und tun Sie eins nach dem anderen. Bleiben Sie präsent im JETZT. Wenn Sie sich Gedanken über die 10.000 Dinge machen, die Sie heute oder diese Woche noch alle erledigen wollen, dann geben Sie Ihre Energie und Kraft an die Zukunft ab. Grübeln Sie hingegen immer noch über etwas nach, was gestern oder letzte Woche war, dann geben Sie Kraft an die Vergangenheit ab. Bleiben Sie im JETZT, in diesem Moment präsent und machen Sie einfach nur den nächsten Schritt mit klaren Gefühlen.

Das war übrigens auch der Unterschied bei den Surfern, die in Lichtgeschwindigkeit über den See sausten. Sie waren voller Freude in jedem Moment präsent mit dem Wind, dem Surfbrett und dem Wasser und somit trotz hoher Geschwindigkeit ganz sicher nicht gestresst.

In diesem Sinne, bleiben Sie entspannt.

Alles Gute,
Ihre Nicola Nagel

*Anmerkung: Die Idee der vermischten Gefühle stammt aus dem Possibility Management nach Clinton Callahan. Für mehr Informationen zum Thema Gefühle empfehle ich Ihnen das Buch von Clinton Callahan „Die Kraft des bewussten Fühlens“.


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