Donnerstag, 15. Mai 2014

Respekt und ‚Nett-Sein‘ schließen sich gegenseitig aus!



Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, warum einige Menschen natürliche ‚Respekt-Personen‘ sind, während andere, die wirklich richtig nett sind, keinerlei Respekt von ihren Mitmenschen bekommen? Ist es Ihnen womöglich selbst schon einmal so ergangen, dass Sie sich gewundert haben, warum jemand Sie nicht respektvoll behandelt, obwohl Sie doch unglaublich nett waren? Oder Sie haben in der Vergangenheit freundlich eine Grenze gesetzt und können nicht verstehen, warum die andere Person diese Grenze immer wieder überschreitet?

Die Sache ist die: Nett-Sein und Respekt schließen sich gegenseitig aus.

Verstehen Sie das bitte nicht falsch. Das bedeutet nicht, dass Sie ab sofort nicht mehr nett sein sollen. Nett-Sein ist auch nicht gut oder schlecht. Es produziert einfach nur bestimmte Resultate in Ihrem Leben. Mit Nett-Sein meine ich hier konkret das ‚dauerhafte‘ Nett-Sein, bei dem Sie Ihre Kraft an eine andere Person abgeben und das ganz einfach eine Überlebensstrategie ist. Kennen Sie Menschen, die permanent versuchen, es anderen recht zu machen, oder womöglich alles für den Partner, den Chef, etc. zu tun? Von diesem Nett-Sein spreche ich, das Nett-Sein, bei dem Sie sich angepasst verhalten.

Diese Art Nett-Sein, von dem ich hier spreche, ist ein Konzept, das viele Menschen wie eine Maske tragen und meist schon in jungen Jahren angenommen haben, z. B. weil sie damals nur Anerkennung von den Eltern oder anderen Autoritätspersonen bekamen, wenn sie eben nett waren. Sobald Sie aber ihren eigenen Kopf hatten, wurde es möglicherweise gefährlich.

Kürzlich erzählte mir eine Klientin, dass sie es überhaupt nicht verstehen könne, warum eine Kollegin die Grenze, die sie schon mehrmals gesetzt hat, einfach ignoriert. Ich bat sie, mir gegenüber einmal die Grenze zu setzen, die sie ihrer Kollegin gesetzt hatte. Sofort war klar, warum diese Grenze überhaupt keinen Bestand haben konnte. Die Klientin war viel zu nett. Um es bildlich auszudrücken stürzten die Worte regelrecht ab und landeten auf dem Boden, noch während sie die Worte aussprach. Die Botschaft kam bei der Kollegin in keinster Weise an. Viele Menschen – besonders Frauen – neigen immer wieder dazu möglichst nett zu anderen zu sein, sei es zum Partner, zu Kollegen oder zu Freunden. Es scheint eine regelrechte Angst zu kursieren, dass sie möglicherweise nicht mehr geliebt oder gemocht werden, wenn sie aufhören nett zu sein. Und wissen Sie was? Ja, das ist sogar durchaus möglich. Doch wenn jemand ein Problem damit hat, dass Sie sich nicht mehr alles gefallen lassen, Klarheit schaffen, Grenzen setzen und Ihre eigene Autorität sind, wessen Problem ist es dann? Richtig, das Problem der anderen Person. Es ist nicht Ihr Problem.

Wenn Sie grundsätzlich nett sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie Ihr sogenanntes Zentrum abgeben, das bedeutet Ihre Kraft, Ihre eigene Autorität. Wenn sie nett sind, fühlen Sie sich vermeintlich sicher und meinen, die andere Person können Ihnen nichts tun.



Frauen sind z. B. gerne nett zu Männern. In Beziehungen neigen Frauen häufig dazu, ihre Autorität an den Mann abzugeben, lieb und nett zu sein, den Fokus komplett auf die Beziehung zu legen, am besten dem Mann noch hinterher zu räumen, permanent verfügbar zu sein, seine Probleme zu ihren eigenen zu machen und ihr eigenes Leben komplett aufzugeben. Glauben Sie mir, ich weiß wovon ich spreche, denn ich war früher selbst ein ‚total nettes Mädchen‘. Dieser Schuss geht jedoch früher oder später nach hinten los. Egal ob in einer Paarbeziehung oder in Beziehung zu anderen Mitmenschen; wenn Sie permanent nett sind, schießen Sie sich ins eigene Knie, verpulvern Ihre Energie und können womöglich hinterher gar nicht verstehen, warum die andere Person Sie so respektlos behandelt.

Doch mal ehrlich: Wenn Sie den dauer-netten Fußabtreter mimen, jederzeit verfügbar sind und die andere Person weiß, dass sie Sie komplett in der Hand hat und Sie ihr aus selbiger fressen, wie soll die andere Person da bitteschön Respekt vor Ihnen haben können?

Wenn Sie permanent versuchen nett zu sein, werden Sie sehr schnell zu einem Spielball für andere. Ihr Partner, die Kollegen oder der Chef durchschauen, dass Sie manipulierbar sind. Menschen, die dauerhaft nett und damit nicht in der Lage sind Grenzen zu setzen, kann nämlich alles abverlangt werden und dann kommen plötzlich im Büro solche Bitten wie „Duuuu, kannst Du diese 5 Aufgaben für mich übernehmen, ich schaffe das nicht!“ oder in der Beziehung „Hey Schatz, wasch doch bitte meine Wäsche mit, ach und könntest Du mir bitte noch ein Bier aus der Küche bringen.“ Nette Menschen machen es anderen gerne recht und beschweren sich klammheimlich – wenn sie es denn merken – dass sie ausgenutzt werden.

Dauer-nette Menschen haben einen unglaublichen Drang nach Harmonie. Alles, was nicht harmonisch ist, scheint gefährlich und bei dem leisesten Anzeichen von Disharmonie tun sie sofort alles, um die Harmonie wieder herzustellen. Der Fokus liegt komplett darauf, ob es dem anderen gut geht und ob es ihm gerade zeitlich oder wie auch immer passt. Dabei mischt sich auch schnell die Tendenz mit rein, Dinge zu kontrollieren. Sobald die dauer-nette Person eine Grenze gesetzt bekommt, oder der andere gar auf Distanz geht, werden die „Netten“ in ihren Grundfesten erschüttert und tun sofort alles dafür, um noch netter zu der anderen Person zu sein, damit sie ja wieder die Gunst gewinnen und hoffentlich Respekt erlangen.

Das Problem an der Sache ist jedoch, dass das genau die falsche Richtung ist. Sie können Respekt nicht durch dauerhaftes Nett-Sein erlangen. Respekt verschaffen Sie sich nur, wenn Sie in der Lage sind, Ihr sogenanntes Zentrum zu behalten, also Ihre eigene Autorität zu sein. Respekt verschaffen Sie sich, indem Sie bewusst den Zugang zu Ihrer Wutkraft erschließen und lernen glasklare Grenzen zu setzen, die auch beim Gegenüber landen. Für eine Respektperson steht ihre eigene Würde an erster Stelle. Sie vertraut sich selbst und ist nicht abhängig von den Launen oder der Zeit anderer Personen. Stattdessen trägt sie eine gewisse, natürliche Gelassenheit in sich, übernimmt Verantwortung und kümmert sich um ihr eigenes Leben.

Es kann durchaus sein, dass ein Mensch das ‚Nettigkeits-Syndrom‘ nur in gewissen Bereichen anwendet. So kann es z. B. sein, dass Sie beruflich, in Ihrer Firma eine Respekt-Person sind, privat jedoch unterm Pantoffel stehen und aaaaallles für den Partner tun, um ja die private Harmonie nicht zu stören. Gleichzeitig wundern Sie sich, warum Ihre Beziehung gewöhnlich ist.

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der gravierendsten Unterschiede zwischen einer Respekt-Person und einer Person die „dauer-nett‘ ist.

Wenn Sie „dauer-nett“ sind, dann:
Wenn Sie eine wahre Respekt-Person sind, dann:
Verhalten Sie sich angepasst.
Sind Sie Ihre eigene Autorität und geben nicht Ihr Zentrum/Ihre Kraft an eine andere Person ab.

Versuchen Sie, es anderen Leuten recht zu machen (Ihrem Partner, Chef, Eltern, Kollegen…).

Setzen Sie Grenzen und sagen klar JA und Nein / Stopp.

Stellen Sie Ihr Fähnchen nach dem Wind, in der Hoffnung die Gunst des anderen zu gewinnen.

Haben Sie eine eigene Meinung und stehen dafür ein.
Tragen Sie Ihre Nettigkeit wie eine Maske und sind nicht authentisch (d. h. Sie sagen z. B. Ja, wenn Sie Nein meinen).

Sind Sie absolut authentisch (sagen Ja, wenn Sie Ja meinen und Nein, wenn Sie Nein meinen)

Sind Sie Fußabtreter für andere und lassen alles mit sich machen.

Achten Sie auf sich und können sich abgrenzen.
Räumen Ihrem Partner, Kollegen oder sonstigen Personen hinterher und tun alles für ihn/sie.

Lassen Sie die anderen ihre eigenen Aufgaben erledigen.

Verkaufen Sie Ihre Würde.
Steht Ihre Würde für Sie an oberster Stelle.

Verbiegen Sie sich, um anderen zu gefallen.
Sind Sie Sie selbst.

Versuchen Sie andere zu verändern.
Lassen Sie die anderen sie selbst sein.

Lächeln Sie meist automatisch.

Lächeln Sie nur, wenn Ihnen danach ist.
Machen Sie sich selbst klein.
Strahlen Sie in Ihrer vollen Kraft und Größe.

Geben Sie Verantwortung ab.

Übernehmen Sie absolute Verantwortung.
Machen Sie das Problem von jemand
anderem zu Ihrem eigenen.
Unterscheiden Sie klar, wer ein Problem hat: Entweder Sie haben ein Problem, oder der  andere hat ein Problem, oder es gibt keins.
Wenn Sie „dauer-nett“ sind, dann:
Wenn Sie eine wahre Respekt-Person sind, dann:
Reagieren Sie emotional, wenn auch nur innerlich (nach außen müssen Sie schließlich nett sein und sich nichts anmerken lassen).

Agieren Sie weise (und lassen sich nicht von Emotionen mitreißen, sondern können klar zwischen gegenwärtigen Gefühlen und alten Emotionen unterscheiden).

Werden Sie zum Spielball anderer Personen.

Durchschauen  Sie Spiele und steigen nicht ein.

Unterdrücken Sie Ihre Gefühle.

Haben Sie Klarheit über Ihre Gefühle und kommunizieren diese.

Liegt Ihr Fokus komplett auf der anderen Person.

Liegt der Fokus auf Ihnen selbst.
Sind Sie manipulierbar.

Sind Sie klar und nicht manipulierbar.
Sind Sie abhängig von den Launen/der Gunst anderer.

Bewahren Sie Ihre Unabhängigkeit.
Verhalten Sie sich möglicherweise bedürftig und erwarten viel von anderen.

Sind Sie gelassen und kümmern sich um Ihre eigenen Bedürfnisse.
Kontrollieren Sie.
Vertrauen Sie (sich selbst und anderen).

Werden Sie sehr schnell als ‚langweilig‘ abgestempelt.

Sind Sie immer für Überraschungen gut.
Versuchen Sie akkurat und perfekt zu sein und leugnen unbewusst, dass es in Ihnen auch eine Schattenseite gibt.

Können Sie auch Fünfe gerade sein lassen und wissen, dass niemand perfekt ist, sondern auch Schattenseiten hat.

Tragen Sie Ihre Nettigkeit wie eine Maske und sind nicht authentisch.

Sind Sie absolut authentisch.

Und noch einmal, es geht nicht darum, dass Sie ab sofort nur noch ernst sind. Es handelt sich vielmehr um eine innere Haltung.

An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass es einen großen Unterschied zwischen Respekt und Macht gibt. Es gibt Menschen – häufig in Firmen anzutreffen – die meinen, Sie könnten sich allein durch ihre Statur oder ihre Position in einer Firma Respekt verschaffen. Vielleicht fällt Ihnen jetzt gerade schon eine Person in Ihrem Umfeld ein. Bei dieser Sorte handelt es sich jedoch nicht um ‚wahre‘ Respekt-Personen. Es handelt sich dabei vielmehr um angstbesessene Machthaber, die versuchen, andere Menschen klein zu halten, um ihre eigene Schwäche zu vertuschen. ‚Wahre‘ Respekt-Personen haben ein sogenanntes ‚Standing‘, d. h. sie stehen für das ein, was sie sagen und tun (oder auch nicht tun) und sind absolut vertrauenswürdig.

Zum Abschluss möchte ich Sie zu einem kleinen Experiment einladen:

Experiment:

·         Schritt 1:
Zu welcher Kategorie würden Sie sich spontan zählen, zur ‚Nett-Sein‘ Fraktion oder zu den ‚wahren Respekt-Personen‘? (Seien Sie ehrlich!)
Ist es identisch für Privat- und Berufsleben, oder gibt es da einen Unterschied?

·         Schritt 2:
Beobachten Sie in den nächsten Tagen einmal genau
o    WANN,
o    WO und
o    bei WEM

Sie dazu tendieren, nett zu sein.

·         Schritt 3:
Suchen Sie sich einen Punkt unter Schritt 2 raus und hören Sie auf, genau in dieser Situation mit dieser Person automatisch nett zu sein. Sie können auch erst einmal in einer ungefährlichen Situation üben. Wenn Sie z. B. dazu tendieren, automatisch zu lächeln, sobald Ihnen Ihr Chef entgegen kommt, dann lächeln Sie nicht mehr automatisch.

Die entscheidende Frage ist: Können Sie okay damit sein, nicht mehr dauerhaft nett zu sein?

Falls die Antwort JA ist, dann werden Sie in der Lage sein, sich Respekt zu verschaffen. Ist die Antwort NEIN – nun ja, dann viel Erfolg! Dann werden die anderen Menschen weiter über Ihre Grenzen latschen, Ihnen noch mehr Arbeit auftischen oder Sie als Spielball benutzen, den sie hin und herschieben können, wie sie möchten. 

Die gute Nachricht ist: Sie können lernen Ihre eigene Autorität und Ihre Gefühlskraft wieder vollständig in Besitz zu nehmen und dadurch zu einer natürlichen Respekt-Person zu werden. Die Entscheidung liegt allein bei Ihnen.

In diesem Sinne respektvolle Grüße, 
Ihre Nicola Nagel



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