Ein
brisantes Thema in Unternehmen, das immer wieder für Reibereien zwischen
Mitarbeitern und Vorgesetzten sorgt, ist das Thema Gehalt, insbesondere bei
Mitarbeitern, die außertarifliche Arbeitsverträge haben.
Geld spielt
für die meisten Menschen eine extrem wichtige Rolle, denn es gibt ihnen
vermeintliche Sicherheit. Im aktuellen patriarchischen und hierarchischen
System, in dem wir leben, ist Geld als Zahlungsmittel notwendig, um die
Lebenshaltungskosten zu decken, und idealerweise auch einmal in Urlaub zu
fahren. Der Großteil der Angestellten sieht sich jedoch gezwungen zu arbeiten,
um Geld zu erhalten und ihr Leben zu bestreiten. Damit befinden sie sich im
Überlebens-Modus. Der Fokus ist unbewusst auf Mangel ausgerichtet und die Arbeitsmotivation
bei dieser Haltung ist mehr als fragwürdig. Nicht wenige sehen das Gehalt sogar
als Schmerzensgeld für die erbrachte Arbeitsleistung und den Stress an, da ihre
Arbeit sie weder inspiriert noch erfüllt. Sie übernehmen Verantwortung in ihrem
Job nur bis zu dem Maße, wie es ihr Job erfordert und auch nur deswegen, weil
sie eben dafür bezahlt werden. Die Arbeit und die dazugehörige Verantwortung sind
für viele eher ein notwendiges Übel und eine Last im Leben. Das eigentliche
Leben beginnt meist erst nach Feierabend.
Geld hat uns
in eine materielle Welt des Verstandes und des Konsums gebracht, die uns
glauben macht, dass es das Wichtigste sei. Es ist daher nicht verwunderlich,
dass viele Menschen sich selbst und ihren Status über ihr Gehalt bzw. über die
Menge an Geld definieren, über die sie verfügen. Sie kennen vielleicht den
Spruch „Mein Haus, mein Auto, meine Yacht, mein Superurlaub…“ Das Gehalt ist zu
einem Statussymbol geworden. Nicht nur das; der Irrglaube, der daran geknüpft
ist, lautet „Je mehr Gehalt ich bekomme, desto höher ist mein Status, ergo
bekomme ich mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung.“ Und da kommen wir langsam
zum Knackpunkt, denn aufrichtige Aufmerksamkeit und Wertschätzung sind Aspekte,
die in der heutigen Geschäftswelt rar geworden sind. Es mangelt an
Menschlichkeit und Miteinander, sodass viele Menschen versuchen, diesen Mangel
über das Gehalt und sonstige Sozialdienstleistungen der Firma zu kompensieren.
Kein Wunder also, dass immer wieder um Gehalt gefeilscht wird und die
Gehaltsverhandlungen zum nervenaufreibenden Akt werden.
Die
Gehaltsverhandlungen basieren in der Regel auf dem Spiel „Ich gewinne – Du
verlierst“, welches das beliebteste Spiel in der Business Welt und generell auf
unserem Planeten ist. Es geht darum, wer das größte Kuchenstück bekommt, das
höhere Gehalt, den Firmenwagen, den Bonus, den höheren Status, die meiste
Anerkennung und wer den größeren Einfluss, sprich die Macht hat. Es ist ein
Spiel, das auf Mangel, Wettkampf und Konkurrenz basiert und das davon ausgeht,
dass es von allem nicht genug gibt. Also ist es notwendig zu gewinnen. Das
Motto heißt „Ich muss gewinnen, um zu überleben, denn wenn Du gewinnst, sterbe
ich.“ Es basiert auf dem sogenannten Niederen
Drama (das aus der
Transaktionsanalyse von Steven Karpman stammt) und stellt ein unverantwortliches
Täter-Retter-Opfer Spiel dar. In Gehaltsverhandlungen besteht das Ziel von
Mitarbeitern in der Regel darin, den Vorgesetzten mit so triftigen Argumenten einzuwickeln,
dass eine Gehaltserhöhung unausweichlich ist und der Mitarbeiter gewinnt.
Passiert dies nicht, fühlt sich ein Mitarbeiter schnell als Opfer, denn der
„böse“ Chef – dem die Rolle des Täters zugeschrieben wird – hat die
Gehaltserhöhung nicht gewährt. Da das Gehalt mit Status und Anerkennung
gleichgesetzt wird, ist der Mitarbeiter frustriert und schraubt seine
Arbeitsleistung entsprechend auf ein notwendiges Minimum zurück.
Ein Aspekt,
der direkt mit dem Thema Gehalt verbunden ist, ist die Wertung „besser-schlechter“.
Das Gehalt ist im gewöhnlichen, hierarchischen Kontext vorwiegend an die
sogenannte fachliche Qualifikation gebunden. Hat eine Person eine höhere
fachliche Qualifikation (z. B. in Form eines Studiums oder Berufserfahrung), so
wird sie demnach als „besser“ im Sinne von „höherwertig“ eingestuft und erhält
mehr Gehalt. Doch diese Art Wertung ist gleichermaßen niederes Drama. Menschen auf
diese Art an einer Skala zu messen und zu bewerten ist eine unverantwortliche
Schattenabsicht. Die Bewertung gut-schlecht, die aus Inquisitionszeiten stammt,
ist alles andere als menschlich. Es geht auch hier wieder nur darum, was eine
Person tut oder hat. Die sogenannten Seins-Qualitäten, die eine Person
tatsächlich ausmachen und die beschreiben, wie eine Person in ihrem Wesen IST,
werden völlig außer Acht gelassen. Stattdessen wird der Fokus weiterhin auf die
materielle und intellektuelle Ebene gelegt.
Niederes
Drama bei Gehaltsverhandlungen zeigt sich auch darin, dass die Gehälter in der
Regel geheim sind. Außer dem Mitarbeiter, dem Vorgesetzen und der
Personalabteilung, weiß niemand etwas über das Gehalt. Es ist ein regelrechtes Tabu,
über die Höhe des eigenen Gehaltes zu sprechen; schließlich könnten andere
neidisch werden oder empört reagieren, wenn sie hören, was der Kollege
verdient. Es ist traurig aber wahr: Konkurrenz und Wettkampf beherrschen die
Business Welt – zum Teil offensichtlich, meistens jedoch unbewusst und subtil.
Doch wie
könnte das Thema Gehalt im Rahmen einer neuen Firmen- und Arbeitskultur anders
gestaltet werden? Was könnte eine neue Sicht auf Gehalt und Geld sein?
Eine neue Sicht auf das Thema Gehalt
Um einen
grundlegenden Perspektivwechsel zu bewirken, ist es zunächst einmal notwendig, die
Firmenkultur dahingehend zu wandeln, dass die Mitarbeiter Teil einer größeren
Vision werden. Die wenigsten wissen, wie die Vision oder Mission ihrer Firma
lautet. Stattdessen arbeiten sie vor sich hin ohne das größere Ganze zu sehen.
Sobald sie das größere Bild erkennen, d. h. die Vision und die dahinter
stehenden sogenannten hellen Prinzipien (wie z. B. Klarheit, Entwicklung,
Miteinander, Kreativität, Möglichkeit, Dienst), denen die Firma verpflichtet
ist, kann auch ein Perspektivenwechsel in Bezug auf das Thema Gehalt stattfinden
– sofern sie sich mit der Vision identifizieren können. Ein zweiter
entscheidender Aspekt beim Wandel der Haltung in Bezug auf das Thema Gehalt
besteht darin, dass die Mitarbeiter überprüfen, ob sie tatsächlich am richtigen
Platz sind. Nur wenn ein Mitarbeiter seine Aufgaben gerne und verantwortlich
macht, kann er auch eine neue Haltung einnehmen.
Gewinnen Geschieht
Ein völlig neues
Spiel, das dann möglich ist, lautet Gewinnen
Geschieht. Diese Art Spiel geht weit über das zum Teil noch bekannte Spiel Ich gewinne – Du gewinnst (win-win) hinaus. Während win-win in der Regel zwar den gut gemeinten Ansatz von Kooperation
hat, läuft es häufig auf einen Kompromiss heraus, bei dem beide Partner
verlieren (lose-lose). Zudem heißt es
hinter vorgehaltener Hand häufig „Es ist okay für mich, dass Du gewinnst,
solange ich ein klitzekleines Bisschen mehr gewinne“, womit wir wieder bei dem
Spiel Ich gewinne – Du verlierst wären.
Das Spiel Gewinnen Geschieht basiert
hingegen auf Fülle und ist in sich ein helles Prinzip, das allen Beteiligten dient.
Es basiert auf kreativer Kollaboration. Das bedeutet konkret, dass die
Mitarbeiter füreinander und für etwas Größeres arbeiten. Machen Sie sich den
Unterschied bewusst: die Kollegen arbeiten nicht nur miteinander (wie
idealerweise noch beim win-win Spiel) sondern FÜReinander. Dies involviert eine völlig andere Art von
Verpflichtung, denn ein Team arbeitet dann, um beispielsweise einen Kollegen
bei seinem Projekt zu unterstützen, ohne dass sie auf den ersten Blick einen
persönlichen Nutzen daraus ziehen. Der Nutzen liegt in dem Fall darin, erfüllt
zu sein vom Miteinander und davon eine andere Person unterstützt zu haben. Konkurrenz
fällt in diesem Spiel vollständig weg ein Wechsel von einem Überlebens-Modus in
einen fließenden Lebens-Modus ist möglich.
Wertschätzung der Seins-Eigenschaften
Anstatt sich
über das Gehalt und den Titel zu definieren, wäre eine neue Haltung zudem, dass
die Mitarbeiter lernen, sich über ihre persönlichen Seins-Eigenschaften und
–Qualitäten zu definieren. Dieser Wandel geschieht dadurch, dass die
Mitarbeiter und Vorgesetzten im Unternehmen sich gegenseitig in ihren
Seins-Qualitäten im Alltag wiederholt wertschätzen. Die Seins-Eigenschaften
stellen die Essenz einer Person dar. Sie beschreiben, wie eine Person in ihrem
Wesenskern IST (anstatt was sie tut oder hat). Beispielsweise kann eine Person in
einem Projekt besonders klar sein, verbindlich, kreativ, mitreißend, offen,
feinsinnig, kraftvoll, etc. Für die persönlichen Seins-Eigenschaften
wertgeschätzt zu werden, ist das, was Mitarbeiter tatsächlich nährt, denn sie
fühlen sich dadurch gesehen. Wertschätzung wird oftmals mit Lob verwechselt.
Lob (genau wie Tadel) beschränkt sich jedoch nur darauf, was eine Person tut (z.
B. „Das hast Du super gemacht“) und kann eine subtile Manipulation sein, damit
der Kollege weiterhin tut, was Sie wollen. Durch Wertschätzung hingegen bekommt
der Mitarbeiter aufrichtige Aufmerksamkeit und wird in seinem Kern erkannt.
Sobald
Menschlichkeit und aufrichtige Wertschätzung der Mitarbeiter im Unternehmen im
Fokus stehen und die Mitarbeiter ihre Arbeit gerne und verantwortlich tun,
rückt das Gehalt und der Wert von Geld in den Hintergrund. Dann ist Geld zwar
nach wie vor eine Unterstützung, um zu leben (zumindest solange es noch als
Zahlungsmittel gilt), doch die eigentliche Nahrung und Kompensation erhalten
die Mitarbeiter durch das erfüllende Kreieren und Erleben einer
außergewöhnlichen Unternehmenskultur im Alltag. Der Fokus liegt auf dem
Miteinander.
Die neue
Perspektive in Bezug auf Gehalt könnte dann darin bestehen, dass die
Seins-Qualitäten und Talente entscheidend sind. Es geht nicht mehr darum,
welches intellektuelle Wissen jemand angesammelt hat. Es gibt keine Wertung
mehr in „besser-schlechter“, nur weil ein Kollege studiert hat und der andere
nicht, oder ein Kollege einen vermeintlich „höheren“ Titel und damit in der
Hierarchie eine höhere Position hat. Die Größe und Präsenz einer Person definiert
sich vielmehr anhand ihres Seins und ihres Bewusstseinsgrades.
Offenlegung von Prämien und Gehältern
Ein weiterer
Aspekt in Bezug auf Gehaltsfestlegung in einem neuen, radikal verantwortlichen
und gemeinschaftlichen Kontext könnte sich für viele an dieser Stelle zunächst wie
ein apokalyptischer Business Alptraum anhören, ist jedoch ein wesentlicher
Schritt hin zur Auflösung von Konkurrenz und der Etablierung eines
verantwortlichen, gesunden Miteinanders im Unternehmen: Völlige Transparenz der
Gehälter!
Es gibt
bereits Firmen, die mit der Offenlegung von Gehältern experimentieren. Die
Firma Semco beispielsweise hat alle Bücher und Gehälter für ihre Mitarbeiter
offengelegt. Möchte ein Mitarbeiter ein höheres Gehalt, so kann er dies
gegenüber den Kollegen äußern und seine entsprechende Motivation kundtun. Das
Team entscheidet dann gemeinsam, ob eine Gehaltserhöhung angemessen ist, oder
nicht.
Für wen
dieser Schritt zu gewagt ist, der kann auch mit kleineren Schritten beginnen. Beispielsweise
gibt es eine mittelständische Firma im Fichtelgebirge, in der eine Abteilung
begonnen hat, mit der Gehaltstransparenz zu experimentieren, indem sie zunächst
einmal nur die Prämien offengelegt hat. Die aktuellen Prämien aller Kollegen
der Abteilung werden in einen gemeinsamen Prämientopf getan und dann
entscheidet das Team gemeinschaftlich, welcher Kollege, welchen Anteil erhält.
Die hierarchische Verteilung durch Vorgesetzte oder die Personalabteilung wird
somit aufgelöst.
Im Folgenden
finden Sie eine Übersicht der neuen und alten Sicht auf Gehälter.
ALTE SICHT:
Gehalt als wesentliches Statussymbol |
NEUE
SICHT:
Gehalt als Nebeneffekt eines erfüllten Miteinanders |
Ich
arbeite für Geld.
|
Ich
arbeite für etwas Größeres.
|
Geld als
Schmerzensgeld für eine Arbeit, die ich nicht gerne tue
|
Geld als
energetischer Ausgleich für etwas, dass ich gerne und vollverantwortlich tue.
|
Fokus auf
Mangel
|
Fokus auf
Fülle
|
Ich
gewinne - Du verlierst => Niederes
Drama
Überlebens-Modus
|
Gewinnen
Geschieht
Wechsel
vom Überlebens- zum Lebens-Modus.
|
Ich
definiere mich und meinen Status über Geld
|
Ich
definiere mich über mein Sein und meine Seins-Qualitäten
|
An
vermeintliche Verantwortung geknüpft. Basiert auf dem Spiel Ich gewinne-Du
verlierst.
|
An
Gewinnen-Geschieht geknüpft
|
Geld ist
Sicherheit
|
Sicherheit
ist eine Illusion. Ich brauche kein Geld, um mich sicher zu fühlen. Die
Sicherheit ist in mir (Zentriert sein + Urvertrauen)
|
Geld ist
Überleben
|
Geld
unterstützt mich, um zu leben (solange es noch Zahlungsmittel ist). Geld ist
nichts im Vergleich zum eigentlichen Leben.
|
Geld ist
Nahrung
|
Nahrung
ist das erfüllende Tun und Erleben des
Außergewöhnlichen
|
Durch Geld
bekomme ich vermeintliche Aufmerksamkeit
|
Durch
Wertschätzung des Seins im Alltag bekomme ich aufrichtige Aufmerksamkeit.
|
Geld ist
oberflächlich
|
Geld ist
nicht das Wichtigste. Fokus auf Miteinander.
|
Geld gibt
Status, Hierarchie, Rangordnung an.
|
Die Größe
und Präsenz einer Person wird durch ihr Sein und ihren Bewusstheitsgrad
definiert.
|
Fachlicher
Qualifikation und Ausbildung sind entscheidend.
|
Seins-Qualitäten
und Talente sind entscheidend
|
Beinhaltet
die Wertung „gut-schlecht“, die aus Inquisitionszeiten stammt. Diese Wertung
ist eine unverantwortliche Schattenabsicht.
|
Wertfrei. Radikal
verantwortliche Absicht.
|
Wird
hierarchisch festgelegt, also entweder durch einen fixen Tarifvertrag oder
vom Vorgesetzten bzw. der Personalabteilung.
|
Wird im
Team festgelegt
|
Die Höhe
des Gehalts ist geheim. Nur der Mitarbeiter und der Vorgesetzte wissen
darüber.
|
Transparenz
der Gehälter und Prämien
|
Durch Geld
kann ich konsumieren und mir Materielles leisten, das mich „wichtig“ macht.
|
Geld ist ein
Tauschmittel und ein energetischer Ausgleich für meinen Einsatz.
|
Sind Sie
bereit für einen Perspektivenwechsel?
Herzlichst,
Ihre Nicola Nagel
Tipp: Mehr zum Thema „New Work“ finden Sie im
Buch „Edgeworker: Leadership war gestern – Es ist Zeit für die
Führungs-(R)Evolution!“ von Nicola Nagel und Patrizia Servidio.
EMPOWERING PEOPLE - FACILITATING CHANGE!
www.viva-essenza.com