Dienstag, 15. April 2014

Das Dilemma der Mitarbeiterentwicklung in Zeiten schnellen Wandels.



In einem sich immer schneller verändernden Umfeld sehen Firmen sich zunehmend Herausforderungen gegenüber, die sie zwingen, neue Wege einzuschlagen. Vielfach wird versucht, den Mitarbeitern neue Methoden oder Konzepte vorzusetzen, die im gewohnten Kontext angewandt werden, in der Hoffnung, dass die Mitarbeiter neue Resultate erzielen. Doch dieses Vorgehen entpuppt sich als Rohrkrepierer. Die Personalentwicklung scheint vor einem Rätsel zu stehen.

Die Haltung in Bezug auf Mitarbeiterentwicklung spiegelt in vielen Firmen ein Paradigma wider, das sich über Jahre hinweg eingeschlichen hat. Das Paradigma lautet „Der Mensch ist eine Maschine und hat zu funktionieren. Hauptsache das Unternehmensergebnis stimmt am Ende“.  Daher ist auch der Versuch sehr beliebt, Veränderungen mit zwar neuen, jedoch genormten Methoden einzuleiten und allen Mitarbeitern das gleiche Konzept überzustülpen.

Die entscheidende Frage ist jedoch: Wie kann sich eine Firma verändern und weiterentwickeln, wenn der Mensch nicht als Mensch betrachtet wird? Wenn versucht wird, den Mitarbeitern logisch etwas einzutrichtern, anstatt sie dort abzuholen, wo sie stehen? Wie kann nachhaltiger Wandel vollzogen werden, wenn die Mitarbeiter als generische Masse behandelt werden? Und wie kann vor allem nachhaltige Mitarbeiterentwicklung erfolgen, wenn der Vorgesetzte die Entwicklung vorgibt?

Die Krux an der Geschichte ist, dass die Mitarbeiter sich zwar weiterentwickeln sollen, aber der gewöhnliche Unternehmens-Kontext gleichzeitig erhalten bleiben soll. Es handelt sich um einen Kontext, der auf hierarchischen Strukturen basiert und die Mitarbeiter über feste Ziel- und Leistungsvereinbarungen zu kontrollierbaren Schafen macht. Um diesen Kontext weiter zu unterstützen, ist es somit sinnvoll, die Mitarbeiter zwar auf Schulungen zu schicken oder andere sogenannte Entwicklungsmaßnahmen und Incentives anzubieten, doch idealerweise nur in dem Maße, dass sie motiviert jedoch nicht zu sehr ermächtigt werden und womöglich aus der Reihe tanzen. Kontrollierte Potenzial-Entfaltung in Maßen.

Personalentwicklung dient im hierarchischen Kontext hauptsächlich dem Unternehmen. Der Fokus liegt darauf, dass das Unternehmen letztendlich mehr Profit macht, noch mehr Kunden in noch kürzerer Zeit akquiriert, oder neue, potentielle Führungskräfte „gedrillt“ werden, die den bestehenden Strukturen gerecht werden.

Die Entwicklungsangebote, die Mitarbeiter in den meisten Firmen in Anspruch nehmen können, sind für die Mitarbeiter vor allem eines: bequem. Der Arbeitgeber zahlt und nicht wenige Mitarbeiter sehen Personalentwicklung und Trainings als nette Auszeit auf Kosten der Firma. Das glauben Sie nicht? Stellen Sie sich einmal die Frage, wie viele Mitarbeiter tatsächlich bereit sind, ein Wochenende zu „opfern“ für Entwicklungsmaßnahmen, die vom Arbeitgeber gezahlt werden.

Die aktuellen Mitarbeiter-Entwicklungsangebote sind auch deswegen so bequem, weil die Teilnehmer weder Verantwortung übernehmen, noch sich nachhaltig verändern müssen. Sie finden sich meist irgendwo ein, hören sich eine nette Methode an und gehen wieder nach Hause. Personalentwicklung basiert vielfach auf Logik, auf bereits bekannten Methoden, die vermittelt werden und darauf, dass der Mitarbeiter sich wohl fühlt und eine gute Zeit hat. Fortbildungsmaßnahmen sind meistens auf das beschränkt, was erlernbar ist und vom Mitarbeiter verstanden werden kann. Die Unternehmen, die mit einem Mitarbeiter nach erfolgter Entwicklungsmaßnahme tatsächlich ein Rückblick machen, wie das Erlernte sofort und nachhaltig in den Arbeits-Alltag integriert werden kann, bilden die Ausnahme. Stattdessen hatte der Mitarbeiter eine gute Zeit und ob er das Erlernte behält oder gar nutzt ist irrelevant.

Mitarbeiterentwicklung hat vielfach einen schalen Beigeschmack, zumal die Maßnahmen nicht selten vom Vorgesetzten vorgegeben werden, der ‚Schwachstellen‘ beim Mitarbeiter sieht. Die Botschaft, die unterschwellig vermittelt wird, ist „Du bist nicht in Ordnung, also musst Du Dich verändern, damit Du den Vorstellungen der Firma entsprichst und bessere Ziele erreichst.“ Viele Mitarbeiter werden also zu Entwicklungsmaßnahmen ‚verdonnert‘. Es wird von ihnen erwartet, dass sie an einem Entwicklungsprogramm teilnehmen. Personal-entwicklung hat somit in den wenigsten Fällen etwas mit Eigenverantwortung und freier Entscheidung zu tun, sondern vielmehr mit Fremdbestimmung und Pflicht.

Das bringt wiederum den nächsten Haken mit sich. Mitarbeiter, die mit einer Entwicklungsmaßnahme ‚beglückt‘ werden, sich jedoch aus eigener Initiative gar nicht verändern möchten haben eine ganz bestimmte Haltung, die eine nachhaltige Entwicklung an sich unmöglich macht. Die Haltung lautet ‚Wasch mich, aber mach mich nicht nass‘. Das bedeutet konkret, dass Entwicklung zwar auf einer oberflächlichen Ebene akzeptiert wird, tiefgreifende Erkenntnisse, das Lösen persönlicher Blockaden und damit nachhaltige persönliche Veränderung jedoch nicht erwünscht sind, denn das könnte ja kurzfristig unbequem für den Mitarbeiter sein. Der Mitarbeiter müsste möglicherweise etwas von sich preis geben und wäre menschlich, verletzlich. Das passt jedoch mit der aktuellen Unternehmenswelt nicht zusammen, in der ein Mitarbeiter zu funktionieren hat, eine Position zu bekleiden hat und ‚professionell‘ sein muss. Personalentwicklung der alten Garde fördert also kühle, distanzierte Professionalität, aber keine nahbare Menschlichkeit und Miteinander. Wen wundert es da, dass immer mehr Mitarbeiter die Flagge mit der Aufschrift „Ich kann nicht mehr – ich halte das nicht mehr aus“ hissen?

Auch das Erreichen von Entwicklungs-Quoten ist nicht zu unterschätzen. Gerade in Konzernen gibt es spezielle Vorgaben, dass jeder Mitarbeiter eine gewisse Anzahl an Entwicklungsmaßnahmen durchlaufen muss. Da wird Personalentwicklung zum Quotenrenner und zum Alibi, Hauptsache den Mitarbeitern wird irgendetwas angeboten.

Auf Nachfrage in Firmen, welche Personal-Entwicklungs-Maßnahmen für die Mitarbeiter verfügbar sind, sind die drei häufigsten Antworten:


  • „Keine.“
  • „Oh, wir hatten bisher keine Zeit, wirklich ein Entwicklungsprogramm für Mitarbeiter aufzusetzen. Bei uns passiert das eher sporadisch.“
  • „Wir haben einen Katalog an Standard-Maßnahmen, die den Mitarbeitern in Absprache mit dem jeweiligen Vorgesetzten angeboten werden.“

Die interessante Frage ist, wie Personalentwicklung aussehen könnte, damit ein Unternehmen in Zeiten schnellen Wandels effektiv und nachhaltig agieren kann. Was braucht es dazu?

Die Personalentwicklung der Zukunft hat einen völlig neuen Ansatz. Während der alte Ansatz zum Ziel hatte, den bestehenden Unternehmens-Kontext und die Hierarchie beizubehalten und Mitarbeiter mit Wissen zu ‚füttern‘, ist das Ziel des neuen Ansatzes, einen völlig neuen Kontext zu erzeugen. Dieser neue Unternehmens-Kontext basiert auf absoluter Verantwortung der Mitarbeiter, die ermächtigt sind. Das bedeutet konkret, dass sie in der Lage sind eigenverantwortlich zu handeln, beziehungsfördernd zu kommunizieren, kreativ  und nicht-linear zu denken und möglicherweise Unternehmensstrukturen komplett zu verändern, weg von der Hierarchie, hin zu einem Netzwerk.

Und genau da liegt das Dilemma. Personalentwicklung der neuen Generation ermächtigt die Mitarbeiter, was dazu führen könnte, dass alte Strukturen zusammenbrechen. Für macht-fokussierte Führungskräfte kann genau das eine Bedrohung sein, denn selbstbestimmte, verantwortliche Mitarbeiter, sind weniger leicht zu kontrollieren, als schlafende Schafe, denen man nur Vorgaben machen muss.

Und eines steht fest: Personalentwicklung der nächsten Generation ist in erster Linie für diejenigen, die die Notwendigkeit der Veränderung sehen und wirklich bereit sind, entsprechende Schritte zu gehen. Anstatt Mitarbeitern einer ganzen Abteilung aufzuerlegen, dass sie bestimmte Maßnahmen durchlaufen müssen, besteht der neue Ansatz darin, die Mitarbeiter zu fördern, die sich für Veränderung begeistern. Sie sind die Zugpferde, die anschließend weitere Mitarbeiter inspirieren, die gleichen Entwicklungsmaßnahmen zu durchlaufen. Menschen haben nicht nur unterschiedliche Geschwindigkeiten in Sachen persönlicher Entwicklung, sondern für viele bedeutet Veränderung auch Angst, das Altbekannte aufzugeben. Es braucht daher Vorreiter, die zuerst gehen und dann zurück kehren, um andere Kollegen zu inspirieren. Letzteres geschieht weniger durch Überzeugen, als vielmehr dadurch, dass andere Mitarbeiter feststellen, dass die Personalentwicklungs-maßnahme einen neuen Kontext erzeugt und tatsächlich nachhaltige, positive Veränderung bewirkt.

Nachhaltige Veränderung kann jedoch nur in einem Menschen selbst passieren. Neue Entwicklungsmaßnahmen sind somit (r)evolutionär in dem Sinne, dass die Mitarbeiter an ihre persönlichen Blockaden kommen, diese sprengen und damit über sich hinauswachsen und neue Möglichkeiten für sich und das Unternehmen generieren können. Die Maßnahmen orientieren sich an der Notwendigkeit der Mitarbeiter. Somit kann es auch nur sinnvoll sein, Mitarbeiter eigenverantwortlich entscheiden zu lassen, ob sie tatsächlich diese Maßnahmen in Angriff nehmen möchten. Personalentwicklung der Zukunft bedeutet, dass die Mitarbeiter unmittelbar erfahren, dass etwas Neues besser funktioniert, als das, was sie bisher gemacht haben und somit Veränderung aus eigenem Antrieb entsteht. Im Gegensatz zum bisherigen rein intellektuellen Lernen ist ein Vier-Körper-Lernen notwendig, d. h. ein Experimentieren und Erfahren, dass sich direkt im Körper verankert, sodass der Mitarbeiter neue Fertigkeiten direkt in seinen Arbeitsalltag integrieren kann. Doch dafür ist es eben notwendig, die persönlichen Muster anzuschauen und zu durchbrechen, was mitunter kurzfristig unbequem sein kann.

Personalentwicklung der Zukunft  ist nicht an Quoten und Unternehmensergebnissen interessiert, sondern am Menschen. Daran, dass ein Mitarbeiter seine Talente und sein volles Potenzial erschließt, seine eigene Autorität ist und klar Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen kann. Die Entwicklungsmaßnahmen dienen sogenannten hellen Prinzipien wie Wachstum, Qualität, Gemeinschaft.

Im Folgenden finden Sie ein kurze Gegenüberstellung bisheriger und neuer Personal-entwicklung:

Mitarbeiter-Entwicklung ALT
Mitarbeiter-Entwicklung NEU
Ziel: Gewöhnlichen Kontext erhalten
Ziel: Neuen Kontext erzeugen, um völlig neue Resultate zu erzielen.
Fokus liegt auf dem Unternehmen.

Fokus liegt auf dem Mitarbeiter / Menschen.
Rein intellektuelles Lernen.
Vier-Körper-Lernen.
Basiert auf Wissen und Logik.
Basiert auf Experimentieren mit Neuem.
Geschieht in einem gewöhnlichen Raum.
Geschieht in einem ultra-sicheren Rahmen, der es erlaubt, Fehler zu machen.
Basiert auf Lehren und Lernen.
Basiert auf Erleben und Erfahren.
Begrenzt auf das, was die Mitarbeiter verstehen können.
Unbegrenzt, da nicht auf verbale Realität beschränkt.
Mitarbeiter sollen kontrollierbar bleiben.
Ermächtigung der Mitarbeiter.
Linear.
Nicht-Linear.
Unverantwortlich.
Verantwortlich.
Gewöhnlich.
(R)evolutionär.
Unpersönlich.
Persönlich.
Einheitlich. Für alle die gleiche Entwicklung.
Individuell.
Basierend auf einem wiederholbaren Konzept.
Zugeschnitten auf die Notwendigkeit der Mitarbeiter.
Erfolgt oftmals auf Vorgabe des Vorgesetzten.
Absolut freiwillig Entscheidung der Mitarbeiter.
Keine Eigenverantwortung.
Absolute Eigenverantwortung.
Fördert das Aufrechterhalten von Hierarchie- und Machtstrukturen.
Fördert neue Unternehmensstrukturen.
Bestätigung von dem, was bereits bekannt ist.
Vorstoß in unbekannte Gebiete.
 
Mitarbeiter-Entwicklung ALT
Mitarbeiter-Entwicklung NEU
Bequem  für die Mitarbeiter.
„Wasch mich, aber mach mich nicht nass“
=> Lösen persönlicher Blockaden und damit persönliche Veränderung ist nicht erwünscht.
Lebendig und verändernd. Erschließt das Potenzial eines Mitarbeiters und fördert seine Talente.
Entwicklungs-Quote erreichen.
Nicht an Quoten orientiert, sondern an nachhaltigen Resultaten.
Mitarbeiter-Entwicklung als Alibi, für das „gute Gewissen“. Hauptsache, den Mitarbeitern wird irgendetwas angeboten.
Mitarbeiter-Entwicklung als Chance, den kreativen Genius freizusetzen.
Kein Einbeziehen in den Alltag.
Keine Rückschau mit den Mitarbeitern.
Sofortiger Einbezug in den Alltag.
Anwendung und Review im Team.
Auszeit auf Kosten der Firma.
Wertvolle Investition in eigene Persönlichkeit.
Dient meist unternehmerischen Schattenprinzipien (z. B. Profitsteigerung,
Kundengewinnung im Gießkannenprinzip, Machtstrukturen erhalten).

Dient sogenannten hellen Prinzipien (z. B. Qualität, Teamwork, Gemeinschaft)  und dem nachhaltigen und menschlichen Agieren.
Fördert kühle, distanzierte Professionalität.
Fördert nahbare Menschlichkeit.
Fördert Wettkampf und Getrenntsein.
Fördert Miteinander.

Glücklicherweise gibt es bereits Unternehmen, die anfangen, eine neue Art der Personalentwicklung zu praktizieren. Die Resultate, die sich bereits nach kurzer Zeit zeigen, sind ganz erstaunlich:

  • Zufriedene und inspirierte Mitarbeiter,
  • Extrem niedrige Krankheitsraten,
  • Innovative Ideen,
  • Ein starker Team-Zusammenhalt und menschliche Verbundenheit,
  • Vertrauen und Miteinander anstatt Konkurrenz,
  • Hohe Flexibilität und kreative Lösungsfindung bei Herausforderungen.

Und es funktioniert tatsächlich, dass die Entwicklungsmaßnahmen sich nach dem Schneeballprinzip von selbst auf weitere Mitarbeiter übertragen, da sie erkennen, dass in der Zusammenarbeit mit den „Vorreitern“ völlig neue Resultate erzielt werden.

Die entscheidende Frage für ein Unternehmen in Zeiten schnellen Wandels ist also nicht nur,  ob grundsätzlich Personalentwicklung zur Verfügung gestellt wird, sondern ob den Mitarbeitern, die bereit sind für Veränderung, Entwicklungsmaßnahmen angeboten werden, die sie ermächtigen und die ermöglichen, dass alte Unternehmensstrukturen zusammenbrechen, um neue, nachhaltige Strukturen zu erschaffen. Wie (r)evolutionär ist Ihr Unternehmen?
                                                                                     (Autorin: Nicola Nagel)



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