In einem sich immer schneller verändernden Umfeld
sehen Firmen sich zunehmend Herausforderungen gegenüber, die sie zwingen, neue
Wege einzuschlagen. Vielfach wird versucht, den Mitarbeitern neue Methoden oder
Konzepte vorzusetzen, die im gewohnten Kontext angewandt werden, in der
Hoffnung, dass die Mitarbeiter neue Resultate erzielen. Doch dieses Vorgehen
entpuppt sich als Rohrkrepierer. Die Personalentwicklung scheint vor einem
Rätsel zu stehen.
Die Haltung in Bezug auf Mitarbeiterentwicklung
spiegelt in vielen Firmen ein Paradigma wider, das sich über Jahre hinweg
eingeschlichen hat. Das Paradigma lautet „Der Mensch ist eine Maschine und hat
zu funktionieren. Hauptsache das Unternehmensergebnis stimmt am Ende“. Daher ist auch der Versuch sehr beliebt, Veränderungen
mit zwar neuen, jedoch genormten Methoden einzuleiten und allen Mitarbeitern das
gleiche Konzept überzustülpen.
Die entscheidende Frage ist jedoch: Wie kann sich
eine Firma verändern und weiterentwickeln, wenn der Mensch nicht als Mensch
betrachtet wird? Wenn versucht wird, den Mitarbeitern logisch etwas
einzutrichtern, anstatt sie dort abzuholen, wo sie stehen? Wie kann
nachhaltiger Wandel vollzogen werden, wenn die Mitarbeiter als generische Masse
behandelt werden? Und wie kann vor allem nachhaltige Mitarbeiterentwicklung
erfolgen, wenn der Vorgesetzte die Entwicklung vorgibt?
Die Krux an der Geschichte ist, dass die
Mitarbeiter sich zwar weiterentwickeln sollen, aber der gewöhnliche
Unternehmens-Kontext gleichzeitig erhalten bleiben soll. Es handelt sich um einen
Kontext, der auf hierarchischen Strukturen basiert und die Mitarbeiter über
feste Ziel- und Leistungsvereinbarungen zu kontrollierbaren Schafen macht. Um
diesen Kontext weiter zu unterstützen, ist es somit sinnvoll, die Mitarbeiter
zwar auf Schulungen zu schicken oder andere sogenannte Entwicklungsmaßnahmen
und Incentives anzubieten, doch idealerweise nur in dem Maße, dass sie motiviert
jedoch nicht zu sehr ermächtigt werden und womöglich aus der Reihe tanzen. Kontrollierte
Potenzial-Entfaltung in Maßen.
Personalentwicklung dient im hierarchischen Kontext
hauptsächlich dem Unternehmen. Der Fokus liegt darauf, dass das Unternehmen
letztendlich mehr Profit macht, noch mehr Kunden in noch kürzerer Zeit
akquiriert, oder neue, potentielle Führungskräfte „gedrillt“ werden, die den
bestehenden Strukturen gerecht werden.
Die Entwicklungsangebote, die Mitarbeiter in den
meisten Firmen in Anspruch nehmen können, sind für die Mitarbeiter vor allem
eines: bequem. Der Arbeitgeber zahlt und nicht wenige Mitarbeiter sehen
Personalentwicklung und Trainings als nette Auszeit auf Kosten der Firma. Das glauben
Sie nicht? Stellen Sie sich einmal die Frage, wie viele Mitarbeiter tatsächlich
bereit sind, ein Wochenende zu „opfern“ für Entwicklungsmaßnahmen, die vom
Arbeitgeber gezahlt werden.
Die aktuellen Mitarbeiter-Entwicklungsangebote sind
auch deswegen so bequem, weil die Teilnehmer weder Verantwortung übernehmen,
noch sich nachhaltig verändern müssen. Sie finden sich meist irgendwo ein,
hören sich eine nette Methode an und gehen wieder nach Hause. Personalentwicklung
basiert vielfach auf Logik, auf bereits bekannten Methoden, die vermittelt werden
und darauf, dass der Mitarbeiter sich wohl fühlt und eine gute Zeit hat.
Fortbildungsmaßnahmen sind meistens auf das beschränkt, was erlernbar ist und
vom Mitarbeiter verstanden werden kann. Die Unternehmen, die mit einem
Mitarbeiter nach erfolgter Entwicklungsmaßnahme tatsächlich ein Rückblick
machen, wie das Erlernte sofort und nachhaltig in den Arbeits-Alltag integriert
werden kann, bilden die Ausnahme. Stattdessen hatte der Mitarbeiter eine gute
Zeit und ob er das Erlernte behält oder gar nutzt ist irrelevant.
Mitarbeiterentwicklung hat vielfach einen schalen
Beigeschmack, zumal die Maßnahmen nicht selten vom Vorgesetzten vorgegeben
werden, der ‚Schwachstellen‘ beim Mitarbeiter sieht. Die Botschaft, die
unterschwellig vermittelt wird, ist „Du bist nicht in Ordnung, also musst Du
Dich verändern, damit Du den Vorstellungen der Firma entsprichst und bessere
Ziele erreichst.“ Viele Mitarbeiter werden also zu Entwicklungsmaßnahmen
‚verdonnert‘. Es wird von ihnen erwartet, dass sie an einem Entwicklungsprogramm
teilnehmen. Personal-entwicklung hat somit in den wenigsten Fällen etwas mit
Eigenverantwortung und freier Entscheidung zu tun, sondern vielmehr mit
Fremdbestimmung und Pflicht.
Das bringt wiederum den nächsten Haken mit sich.
Mitarbeiter, die mit einer Entwicklungsmaßnahme ‚beglückt‘ werden, sich jedoch
aus eigener Initiative gar nicht verändern möchten haben eine ganz bestimmte
Haltung, die eine nachhaltige Entwicklung an sich unmöglich macht. Die Haltung
lautet ‚Wasch mich, aber mach mich nicht nass‘. Das bedeutet konkret, dass
Entwicklung zwar auf einer oberflächlichen Ebene akzeptiert wird, tiefgreifende
Erkenntnisse, das Lösen persönlicher Blockaden und damit nachhaltige persönliche
Veränderung jedoch nicht erwünscht sind, denn das könnte ja kurzfristig
unbequem für den Mitarbeiter sein. Der Mitarbeiter müsste möglicherweise etwas
von sich preis geben und wäre menschlich, verletzlich. Das passt jedoch mit der
aktuellen Unternehmenswelt nicht zusammen, in der ein Mitarbeiter zu
funktionieren hat, eine Position zu bekleiden hat und ‚professionell‘ sein
muss. Personalentwicklung der alten Garde fördert also kühle, distanzierte
Professionalität, aber keine nahbare Menschlichkeit und Miteinander. Wen
wundert es da, dass immer mehr Mitarbeiter die Flagge mit der Aufschrift „Ich
kann nicht mehr – ich halte das nicht mehr aus“ hissen?
Auch das Erreichen von Entwicklungs-Quoten ist
nicht zu unterschätzen. Gerade in Konzernen gibt es spezielle Vorgaben, dass
jeder Mitarbeiter eine gewisse Anzahl an Entwicklungsmaßnahmen durchlaufen
muss. Da wird Personalentwicklung zum Quotenrenner und zum Alibi, Hauptsache
den Mitarbeitern wird irgendetwas angeboten.
Auf Nachfrage in Firmen, welche
Personal-Entwicklungs-Maßnahmen für die Mitarbeiter verfügbar sind, sind die
drei häufigsten Antworten:
- „Keine.“
- „Oh, wir hatten bisher keine Zeit, wirklich ein Entwicklungsprogramm für Mitarbeiter aufzusetzen. Bei uns passiert das eher sporadisch.“
- „Wir haben einen Katalog an Standard-Maßnahmen, die den Mitarbeitern in Absprache mit dem jeweiligen Vorgesetzten angeboten werden.“
Die interessante Frage ist, wie Personalentwicklung
aussehen könnte, damit ein Unternehmen in Zeiten schnellen Wandels effektiv und
nachhaltig agieren kann. Was braucht es dazu?
Die Personalentwicklung der Zukunft hat einen
völlig neuen Ansatz. Während der alte Ansatz zum Ziel hatte, den bestehenden
Unternehmens-Kontext und die Hierarchie beizubehalten und Mitarbeiter mit
Wissen zu ‚füttern‘, ist das Ziel des neuen Ansatzes, einen völlig neuen Kontext
zu erzeugen. Dieser neue Unternehmens-Kontext basiert auf absoluter
Verantwortung der Mitarbeiter, die ermächtigt sind. Das bedeutet konkret, dass
sie in der Lage sind eigenverantwortlich zu handeln, beziehungsfördernd zu
kommunizieren, kreativ und nicht-linear
zu denken und möglicherweise Unternehmensstrukturen komplett zu verändern, weg
von der Hierarchie, hin zu einem Netzwerk.
Und genau da liegt das Dilemma. Personalentwicklung
der neuen Generation ermächtigt die Mitarbeiter, was dazu führen könnte, dass
alte Strukturen zusammenbrechen. Für macht-fokussierte Führungskräfte kann
genau das eine Bedrohung sein, denn selbstbestimmte, verantwortliche
Mitarbeiter, sind weniger leicht zu kontrollieren, als schlafende Schafe, denen
man nur Vorgaben machen muss.
Und eines steht fest: Personalentwicklung der
nächsten Generation ist in erster Linie für diejenigen, die die Notwendigkeit
der Veränderung sehen und wirklich bereit sind, entsprechende Schritte zu
gehen. Anstatt Mitarbeitern einer ganzen Abteilung aufzuerlegen, dass sie
bestimmte Maßnahmen durchlaufen müssen, besteht der neue Ansatz darin, die
Mitarbeiter zu fördern, die sich für Veränderung begeistern. Sie sind die
Zugpferde, die anschließend weitere Mitarbeiter inspirieren, die gleichen Entwicklungsmaßnahmen
zu durchlaufen. Menschen haben nicht nur unterschiedliche Geschwindigkeiten in
Sachen persönlicher Entwicklung, sondern für viele bedeutet Veränderung auch
Angst, das Altbekannte aufzugeben. Es braucht daher Vorreiter, die zuerst gehen
und dann zurück kehren, um andere Kollegen zu inspirieren. Letzteres geschieht
weniger durch Überzeugen, als vielmehr dadurch, dass andere Mitarbeiter
feststellen, dass die Personalentwicklungs-maßnahme einen neuen Kontext erzeugt
und tatsächlich nachhaltige, positive Veränderung bewirkt.
Nachhaltige Veränderung kann jedoch nur in einem
Menschen selbst passieren. Neue Entwicklungsmaßnahmen sind somit (r)evolutionär
in dem Sinne, dass die Mitarbeiter an ihre persönlichen Blockaden kommen, diese
sprengen und damit über sich hinauswachsen und neue Möglichkeiten für sich und
das Unternehmen generieren können. Die Maßnahmen orientieren sich an der
Notwendigkeit der Mitarbeiter. Somit kann es auch nur sinnvoll sein,
Mitarbeiter eigenverantwortlich entscheiden zu lassen, ob sie tatsächlich diese
Maßnahmen in Angriff nehmen möchten. Personalentwicklung der Zukunft bedeutet,
dass die Mitarbeiter unmittelbar erfahren, dass etwas Neues besser
funktioniert, als das, was sie bisher gemacht haben und somit Veränderung aus eigenem
Antrieb entsteht. Im Gegensatz zum bisherigen rein intellektuellen Lernen ist
ein Vier-Körper-Lernen notwendig, d. h. ein Experimentieren und Erfahren, dass
sich direkt im Körper verankert, sodass der Mitarbeiter neue Fertigkeiten
direkt in seinen Arbeitsalltag integrieren kann. Doch dafür ist es eben
notwendig, die persönlichen Muster anzuschauen und zu durchbrechen, was
mitunter kurzfristig unbequem sein kann.
Personalentwicklung der Zukunft ist nicht an Quoten und
Unternehmensergebnissen interessiert, sondern am Menschen. Daran, dass ein
Mitarbeiter seine Talente und sein volles Potenzial erschließt, seine eigene
Autorität ist und klar Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen
kann. Die Entwicklungsmaßnahmen dienen sogenannten hellen Prinzipien wie
Wachstum, Qualität, Gemeinschaft.
Im Folgenden finden Sie ein kurze Gegenüberstellung
bisheriger und neuer Personal-entwicklung:
Mitarbeiter-Entwicklung
ALT
|
Mitarbeiter-Entwicklung
NEU
|
Ziel: Gewöhnlichen Kontext erhalten
|
Ziel: Neuen Kontext erzeugen, um völlig neue
Resultate zu erzielen.
|
Fokus liegt auf dem Unternehmen.
|
Fokus liegt auf dem Mitarbeiter / Menschen.
|
Rein intellektuelles Lernen.
|
Vier-Körper-Lernen.
|
Basiert auf Wissen und Logik.
|
Basiert auf Experimentieren mit Neuem.
|
Geschieht in einem gewöhnlichen Raum.
|
Geschieht in einem ultra-sicheren Rahmen, der es
erlaubt, Fehler zu machen.
|
Basiert auf Lehren und Lernen.
|
Basiert auf Erleben und Erfahren.
|
Begrenzt auf das, was die Mitarbeiter verstehen
können.
|
Unbegrenzt, da nicht auf verbale Realität
beschränkt.
|
Mitarbeiter sollen kontrollierbar bleiben.
|
Ermächtigung der Mitarbeiter.
|
Linear.
|
Nicht-Linear.
|
Unverantwortlich.
|
Verantwortlich.
|
Gewöhnlich.
|
(R)evolutionär.
|
Unpersönlich.
|
Persönlich.
|
Einheitlich. Für alle die gleiche Entwicklung.
|
Individuell.
|
Basierend auf einem wiederholbaren Konzept.
|
Zugeschnitten auf die Notwendigkeit der
Mitarbeiter.
|
Erfolgt oftmals auf Vorgabe des Vorgesetzten.
|
Absolut freiwillig Entscheidung der Mitarbeiter.
|
Keine Eigenverantwortung.
|
Absolute Eigenverantwortung.
|
Fördert das Aufrechterhalten von Hierarchie- und
Machtstrukturen.
|
Fördert neue Unternehmensstrukturen.
|
Bestätigung von dem, was bereits bekannt ist.
|
Vorstoß in unbekannte Gebiete.
|
Mitarbeiter-Entwicklung
ALT
|
Mitarbeiter-Entwicklung
NEU
|
Bequem für
die Mitarbeiter.
„Wasch mich, aber mach mich nicht nass“
=> Lösen persönlicher Blockaden und damit persönliche Veränderung ist nicht erwünscht. |
Lebendig und verändernd. Erschließt das Potenzial
eines Mitarbeiters und fördert seine Talente.
|
Entwicklungs-Quote erreichen.
|
Nicht an Quoten orientiert, sondern an
nachhaltigen Resultaten.
|
Mitarbeiter-Entwicklung als Alibi, für das „gute
Gewissen“. Hauptsache, den Mitarbeitern wird irgendetwas angeboten.
|
Mitarbeiter-Entwicklung als Chance, den kreativen
Genius freizusetzen.
|
Kein Einbeziehen in den Alltag.
Keine Rückschau mit den Mitarbeitern. |
Sofortiger Einbezug in den Alltag.
Anwendung und Review im Team. |
Auszeit auf Kosten der Firma.
|
Wertvolle Investition in eigene Persönlichkeit.
|
Dient meist unternehmerischen Schattenprinzipien
(z. B. Profitsteigerung,
Kundengewinnung im Gießkannenprinzip, Machtstrukturen erhalten). |
Dient sogenannten hellen Prinzipien (z. B.
Qualität, Teamwork, Gemeinschaft) und
dem nachhaltigen und menschlichen Agieren.
|
Fördert kühle, distanzierte Professionalität.
|
Fördert nahbare Menschlichkeit.
|
Fördert Wettkampf und Getrenntsein.
|
Fördert Miteinander.
|
Glücklicherweise gibt es bereits Unternehmen, die anfangen,
eine neue Art der Personalentwicklung zu praktizieren. Die Resultate, die sich bereits
nach kurzer Zeit zeigen, sind ganz erstaunlich:
- Zufriedene und inspirierte Mitarbeiter,
- Extrem niedrige Krankheitsraten,
- Innovative Ideen,
- Ein starker Team-Zusammenhalt und menschliche Verbundenheit,
- Vertrauen und Miteinander anstatt Konkurrenz,
- Hohe Flexibilität und kreative Lösungsfindung bei Herausforderungen.
Und es funktioniert tatsächlich, dass die
Entwicklungsmaßnahmen sich nach dem Schneeballprinzip von selbst auf weitere
Mitarbeiter übertragen, da sie erkennen, dass in der Zusammenarbeit mit den
„Vorreitern“ völlig neue Resultate erzielt werden.
(Autorin: Nicola Nagel)
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