In letzter Zeit nimmt eine Bewegung Fahrt auf, die sich
mit neuen Arbeitsweisen und neuen Unternehmensstrukturen beschäftigt. Weltweit
gibt es immer mehr Menschen und Initiativen, die die Vision verfolgen, eine
neue, für die Menschen und die Erde tragfähige Art des Arbeitens und
Wirtschaftens zu etablieren. Dazu gibt es bereits großartige und inspirierende
Praxisbeispiele von einzelnen Geschäftsführern und Teams, die mutig vorangehen.
Sei es die Firma Semco in Brasilien, die u. a. freie Arbeitszeiten und
Offenlegung der Gehälter praktiziert, die Firma Gravity Payments in USA, deren
CEO Dan Price auf Kosten seines hohen Managergehaltes seinen Mitarbeitern einen
Mindestlohn von 70.000 Dollar pro Jahr garantiert oder die Farbenwerke
Wunsiedel in Deutschland, die sich zu einer Netzwerkorganisation wandeln, in
der jeder Mitarbeiter sich nur noch entsprechend seiner Talente und Inspiration
den Aufgaben widmet, die er vollverantwortlich und gerne macht. Es gibt noch
viele weitere Firmen, die mutig vorangehen. Eines ist ihnen gemein: sie alle
sind Pioniere.
So beeindruckt viele Menschen von diesen innovativen
Praxisbeispielen auch sind, so oft
werden jedoch auch Stimmen laut, die sagen: „Ja, das geht bei denen, aber bei
uns in der Firma oder in einem anderen Konzern ist das doch gar nicht möglich.“
Eine sehr beliebte und bequeme Ausrede, um Veränderung von vornherein zu
verhindern und die gewohnten Bahnen nicht zu verlassen. Vielen ist dabei nicht
bewusst, dass Evolution 3 entscheidende Komponenten beinhaltet:
- Nichtwissen
- Regeln brechen
- Schnelles Lernen
1.
Nichtwissen
Aus dem Nichtwissen heraus zu agieren bedeutet, tatsächlich
keine Ahnung zu haben, wie es geht. Dieser Aspekt an sich scheint völlig
absurd, da in der modernen Gesellschaft der Fokus stark auf Kontrolle und
Sicherheit liegt. Die Jahreszahlen, der Gewinn, der Marktanteil, die
Versicherungen, alles wird genau geplant. Ein Manager, der keine Antwort auf
Fragen hat, auf Kontrolle der Mitarbeiter verzichtet oder keine Ahnung hat, wie
sich ein Projekt entwickeln wird, wird schnell als unprofessionell und nicht
zurechnungsfähig abgestempelt. Das Patriarchat hat die Menschen gelehrt, es sei
besser und absolut notwendig, die Dinge im Griff zu haben, zu wissen wie etwas
geht, kein zu hohes Risiko einzugehen und jederzeit eine professionelle Figur
zu machen.
Diese Aspekte stehen Evolution jedoch entgegen. Evolution
funktioniert nicht mit Kontrolle, Sicherheit, Netz und doppeltem Boden. Oder
dachten Sie Galileo Galilei hätte gewusst, wie seine Reise verlaufen würde,
als er sich auf den Weg machte zu schauen, ob er am Ende der flachen Erdscheibe
tatsächlich mit seinem Schiff über die Kante fällt? Evolutions-Pioniere sind
bereit, nicht zu wissen. Menschen mit der Vision, dass ein anderes Arbeiten im
Dienst der Menschen und der Erde möglich ist, sind bereit, voranzugehen ohne zu
wissen, wie es geht. Die Vision ist in dem Fall wichtiger, als „gut“ auszusehen
und von allen akzeptiert und gemocht zu werden.
Um im Nichtwissen stehen zu können, ist eines allerdings
entscheidend: Sie müssen mit Ihrer Angst vertraut sein und sie in Besitz
genommen haben. Wenn Angst für Sie nicht okay ist, dann werden Sie keinen
wagemutigen Schritt in eine völlig neue Richtung machen oder bahnbrechende neue
Ideen vorschlagen und ausprobieren.
Angst ist eines von vier großen Gefühlsterritorien (Wut, Freude,
Traurigkeit und Angst), die uns im Leben dienen. Angst ist mit den anderen drei
Gefühlen zusammen ein zielsicheres Navigationssystem, das Sie durch das Leben
und durch Veränderung leitet. Die gängige Meinung über Angst ist jedoch, dass
sie schlecht und zu vermeiden ist. Sie ist schwach, negativ, blockierend, gefährlich,
lässt Sie als Feigling dastehen, ist unprofessionell und ganz sicher keine
Eigenschaft eines kompetenten Mitarbeiters oder Managers. Ein Irrglaube, der
über Jahrzehnte in unseren Köpfen genährt wurde (denken Sie nur einmal darüber
nach, dass 90% der Medien-Werbungen subtile Angstbotschaften benutzen, um die
Menschen zu manipulieren und klein zu halten).
Wenn Angst auf Basis dieses parasitären Irrglaubens für Sie
nicht okay ist, werden Sie nicht in der Lage sein, sich pionierhaft in
evolutionäres Neuland zu begeben. Dann wird die Angst Sie besitzen und dafür
sorgen, dass Sie aufgrund möglichen Gegenwinds, Konflikten oder Kontrollverlust
auf Ihrem bekannten Platz bleiben, weil es für Sie zu gefährlich ist,
bisherige, längst überholte Regeln zu brechen. Mit dem Glaubenssatz Angst sei
negativ und unprofessionell, werden Sie Ihre Komfortzone nicht verlassen und
somit vermeiden im Unternehmen möglicherweise gefährliche Fragen zu stellen,
auf Missstände hinzuweisen, verrückte Ideen auszuprobieren und Ihre Vision
einer neuen Arbeitsweise zu verfolgen.
Die interessante Frage ist: Wenn es sich um einen Irrglauben
handelt, was ist Angst stattdessen? Ziehen Sie einmal in Betracht, dass Angst (wie die anderen drei oben
genannten Gefühle auch) neutrale Energie
und Information ist, die Ihnen dient. Wie könnte Ihnen Angst unter dieser
neuen Annahme dienen? Was könnten Sie mit Angst sinnvoll tun? Mit Angst können
Sie beispielsweise:
- Kreativ werden
- Innovativ sein
- Verrückte oder bahnbrechende Ideen entwickeln
- Neues Gebiet betreten und erforschen
- Planen / vorsichtig sein
- Wachsam und aufmerksam sein
- Sich konzentrieren
- Neugierig sein
- Präzise sein
- Gefährliche Fragen stellen
- Fehler machen
- Nichtlinear vorgehen
- Improvisieren
- Gefahren wittern / Risiken abschätzen
Ist Angst vor diesem Hintergrund nützlich? Ja, auf jeden Fall! Machen
Sie sich bewusst, dass Angst nur Angst ist, ein hilfreiches Gefühl, das Ihnen
dient.
Wenn Angst für Sie okay ist und Sie Ihre Angst in Besitz nehmen
(z. B. indem Sie in einem sicheren Trainingsumfeld einmal 100% maximale Angst
in Ihrem Körper spüren und feststellen werden, dass Sie größer sind als die
Angst), dann können Sie pionierhaft vorangehen, Ihre Komfortzone verlassen und
Ihrer Inspiration folgen, ohne zu wissen, was Sie erwartet oder wie etwas geht.
Evolution beinhaltet Nichtwissen. Evolution entsteht aus dem
Nichtwissen. Was bedeutet das konkret? Wenn Sie eine brillante, innovative Idee
haben, wie neues Arbeiten funktionieren könnte, dann müssen Sie nicht wissen,
wie es genau geht. Es ist nicht notwendig, im Vorfeld bereits die Meilensteine
in einem Projektplan niederzuschreiben, alle Details zu kennen oder gar zu
wissen, wie sich die Idee bzw. das Projekt entwickeln wird. Entscheidend ist
vielmehr, dass Sie sich der Vision verpflichten. Der Rest ergibt sich
automatisch.
Bedarf es dafür Mut? Ja, durchaus. Doch machen Sie sich bewusst,
dass Mut nicht das Ausbleiben von Angst ist. Mut ist die Entscheidung, dass
etwas anderes wichtiger ist, als die Angst.
2.
Regeln brechen
Um eine gesunde und tragfähige Arbeitsweise in Unternehmen initiieren
zu können, ist es notwendig, Regeln zu brechen und neue Unterscheidungen zu
treffen. Regeln, Annahmen und Unterscheidungen sind Teil des
Unternehmenskontextes, die als gegeben betrachtet werden und meist nicht mehr
hinterfragt werden.
Evolution in Unternehmen beinhaltet jedoch vor allem auch, neue,
verrückte Ideen vorzuschlagen bzw. auszuprobieren. Das kann bereits bei kleinen
Dingen beginnen. Ihre Meetings dauerten in der Vergangenheit beispielsweise
viel zu lange und die Teilnehmer waren oftmals während dessen mit anderen
Dingen beschäftigt? Dann entfernen Sie für das nächste Meeting einmal alle
Tische und Stühle aus dem Raum, sodass die Leute in einem offenen Kreis stehen.
Lassen Sie sich überraschen, wie schnell und effektiv das Meeting sein wird.
Wenn Sie vorher Angst spüren ist das angemessen, denn Sie betreten Neuland
(vorausgesetzt, Sie haben solch ein Meeting noch nie gemacht). Sie können nicht
wissen, wie die Kollegen reagieren werden, was sie von Ihnen halten werden, ob
Sie möglicherweise für verrückt erklärt werden, etc. Haben Sie jedoch die oben
genannte neue Sichtweise in Bezug auf Angst verinnerlicht, können Sie sich –
sobald Sie Angst spüren – bewusst machen:„Ah! Ich spüre Angst. Angst ist Angst.
Nur das. Sie zeigt mir, dass ich jetzt gerade etwas völlig Ungewohntes
ausprobiere.“ Dann vertrauen Sie im nächsten Schritt dieser Angst und gehen
einfach mutig weiter.
Genauso wie für das kleine Beispiel mit der neuen Raumanordnung
können Sie Angst für größere, evolutionäre Ideen nutzen. Viele großartige
Ideen, die einen echten Unterschied in Unternehmen machen würden, werden von
Mitarbeitern nicht angebracht aus Angst davor, was der Chef oder die Kollegen
von ihnen halten werden oder gar aus Angst davor, ihren Job zu verlieren. Der
alte Irrglaube über Angst und darüber, dass Regeln in jedem Fall zu befolgen
sind, sitzt tief in unseren Zellen. Es ist jedoch höchste Zeit, eine neue
Richtung einzuschlagen und den Weg für neues Miteinander, andere
Kommunikations- und Verhaltensformen, neue tragfähige Werte und neue Führungs-
bzw. Nicht-Führungsmodelle zu ebnen.
Welche Regeln sind es in Ihrem Unternehmen, die veraltet, nicht
zielführend, destruktiv und demotivierend sind und dringend einer Änderung
bedürfen? Welche inspirierenden Ideen haben Sie stattdessen?
3.
Schnelles Lernen
Wie bereits erwähnt, bedingt Evolution Nichtwissen. Niemand
weiß, wie die Unternehmen der Zukunft genau aussehen werden. Das ist schon
allein deswegen nicht möglich, weil jedes Unternehmen andere Mitarbeiter hat,
die alle anders ticken und es somit kein einheitliches Konzept gibt. Es gibt
kein Patentrezept, wie eine tragfähige Arbeitsweise in Zukunft aussehen wird.
Umso wichtiger ist es, Dinge auszuprobieren, um für das eigene Unternehmen
den optimalen Weg zu finden.
Pioniere, Edgeworker, Impuls- und Ideengeber, die ihre
Vision einer neuen Arbeitswelt verfolgen, sind bereit, ihre Komfortzone zu
verlassen. Im übertragenen Sinne sind sie bereit, zu sterben. Sie fürchten sich
nicht davor, Fehler zu machen. Im Gegenteil, sie sind bereit Fehler zu machen,
da Fehler für sie nicht negativ, sondern einfach nur glasklares Feedback auf
dem Weg der Evolution sind.
Sie praktizieren sogenanntes Schnelles Lernen, das aus 3 Schritten besteht:
- GO! => Sie haben eine brillante Idee, gehen los und probieren die neuen Möglichkeiten aus.
- Feedback => Sobald Sie losgegangen sind, erhalten Sie unmittelbar Feedback. Dies kann entweder GO! („Das funktioniert!“) oder BEEP! („Das hat nicht funktioniert!“) sein. Machen Sie sich bewusst, dass es tatsächlich nur diese beiden Arten von Feedback gibt. Wenn Sie etwas Neues ausprobieren und ein BEEP! erhalten, bedeutet dies lediglich, dass etwas nicht funktioniert hat. Es ist neutrales Feedback über die Vergangenheit. Gehen Sie dann einfach zum dritten Schritt des schnellen Lernens über.
- SHIFT! Haben Sie ein BEEP! erhalten, ist dieser dritte Schritt entscheidend. Verändern Sie etwas und gehen Sie dann wieder los und probieren etwas anderes aus.
Schnelles Lernen ist entscheidend, wenn Sie Neuland
betreten. Die Effektivität dieses 3-Stufen-Prozesses ist dabei abhängig von
Ihrer Sicht auf Feedback. Ist Feedback für Sie Kritik, negativ, oder gar ein
persönlicher Angriff, so werden Sie steckenbleiben. Schnelles Lernen
funktioniert nur, wenn Sie Feedback als Gold betrachten und als klaren
Indikator dafür, was es auf dem Weg der Evolution zu verändern gilt. Beim
Erforschen und Etablieren einer neuen, tragfähigen Arbeitsweise ist es
notwendig, das schnelle Lernen in den Alltag integrieren und permanent Feedback
von Kollegen einzuholen.
Erinnern Sie sich: Mut nicht das Ausbleiben von Angst ist.
Mut ist die Entscheidung, dass etwas anderes wichtiger ist, als die Angst. Die
Zeit des Wandels in Unternehmen ist bereits angebrochen. Es ist dringend
notwendig, alte, nicht mehr dienliche Strukturen, Regeln und Vorgehensweisen
über Bord zu werfen und neue, inspirierende und tragfähige Möglichkeiten zu
etablieren. Was ist Ihre Vision in Bezug auf neues Arbeiten? Wann beginnen Sie?
Herzlich visionäre Grüße,
Ihre Nicola Nagel
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