Montag, 16. September 2013

Die Krux von Akzeptanz und Ertragen.



Kennen Sie Menschen, die gelegentlich JA sagen, aber innerlich eigentlich NEIN meinen? Waren Sie womöglich selbst schon einmal in der Situation, dass Sie JA gesagt haben, obwohl Sie mit etwas nicht wirklich einverstanden waren?

Hier ein simples Beispiel: Stellen Sie sich vor eine Gruppe von 6 Freunden hat sich zum Abendessen in der Stadt verabredet, ohne vorher die Lokalität festzulegen. Am vereinbarten Treffpunkt beginnt eine wilde Ideen-Sammlung und schnell steht fest, dass drei Leute gerne zum Italiener möchten, während die andere Hälfte lieber zum Asiaten möchte. Oh-Ha! Was nun? 2 Positionen mit jeweils wirklich guten Argumenten. Letztendlich stellt sich heraus, dass einer der 3 Asiaten-Befürworter eigentlich indifferent ist und durchaus auch zum Italiener gehen würde. Somit wird kurzerhand das Mehrheitsprinzip angewandt, die 2 verbleibenden Asiaten-Fans überstimmt und die Meute bricht Richtung Italiener auf.

Nun könnte man meinen, dass die Mehrheit ja für den Italiener gestimmt hat und damit alles gut ist. Doch ist es das tatsächlich? Der Mehrheitsentscheid ist Gang und Gäbe in unserer Gesellschaft. Wer ist dafür, wer ist dagegen. Zack, die Mehrheit gewinnt. Ich gewinne – Du verlierst, lautet das beliebteste Spiel.

Im Beispiel „gewinnt“ die Gruppe, die für den Italiener ist. Nun wird es spannend: Was ist mit den 2 Personen, die lieber zum Asiaten wollten und nun als Schlusslichter der Gruppe hinterher trotten? Ertragen sie die Entscheidung oder akzeptieren sie diese? Wie sieht es aus mit diversen Gegebenheiten oder Situationen in der Partnerschaft, dem Job, in der Freizeit mit Freunden, mit dem Nachbarn? Es ist eine Frage, die alle Lebensbereiche betrifft.  Ertragen Sie Entscheidungen, Gegebenheiten, Situationen? Oder akzeptieren Sie sie voll und ganz.

Lassen Sie uns einmal schauen, was der Unterschied ist.

Wenn Sie etwas akzeptieren, dann:
·         sind Sie in Ihrer Kraft.
·         sind Sie im Hier und Jetzt präsent mit dem was ist.
·         sind Sie ein JA.
·         können Sie kreativ sein und in Aktion treten .
·         können Sie verantwortlich agieren.
·         können Sie neutral sein.
·         können Sie spielerisch sein.
·         sind Sie flexibel.
·         sind Sie zentriert.
·         können Sie den nächsten Schritt gehen.
·         Können Sie die nächste Entscheidung treffen.

Wenn Sie hingegen etwas ertragen, dann
·         sind Sie in der Opferrolle; Sie sind das Opfer der Umstände.
·         sind Sie innerlich ein Nein.
·         bauen Sie unbewusst Groll auf.
·         zerstören Sie Nähe und Vertrautheit.
·         sind Sie nicht authentisch.
·         verhalten Sie sich angepasst.
·         vergeuden Sie Ihre Energie und Kraft.
·         sind Sie in Abwehr-Position.
·         machen Sie andere für die Umstände verantwortlich.
·         können Sie keine klaren Entscheidungen treffen.
·         stecken Sie im Sumpf fest.
·         sind sie unflexibel und starr.

Das Wort birgt es schon in sich: ER-TRAGEN. Sie tragen etwas, das Sie nicht wollen. Es ist wie eine Last. Wie viele Menschen kennen Sie in Ihrem Umfeld, die im Job, in der Familie, ja sogar in ihrer Freizeit verschiedenste Dinge ertragen? Wenn Sie etwas ertragen, dann sind Sie innerlich gegen das, was gerade passiert. Und genau das ist der kraftzehrende Akt: Sie kämpfen innerlich gegen etwas, das für Sie nicht in Ordnung ist und grummeln – mal mehr, mal weniger – vor sich hin.

AKZEP-TANZ hingegen hat in der Tat etwas mit Tanz zu tun. Wenn Sie eine Gegebenheit voll und ganz akzeptieren, d. h. innerlich bejahen und sagen können „Ja, okay es ist wie es ist, das ist jetzt die Situation“, dann wird Ihr Agieren zu einem spielerischen Tanz mit dem, was ist. Sie bleiben flexibel, spontan, kreativ. Doch wie kommen Sie zu Akzeptanz?

Lassen Sie uns an dieser Stelle mit den beiden folgenden Experimenten weitermachen.

Experiment 1: Was ertragen Sie?
Schreiben Sie einmal auf, welche Dinge oder Situationen Sie in Ihrem Leben ertragen. Das können kleine oder große Dinge sein. Angefangen beim Nachbarn, der zu laut Musik hört, Sie jedoch aus Höflichkeit und Toleranz lieber nichts sagen, bis hin zum Job, der Sie eigentlich alles andere als erfüllt, der aber sehr lukrativ ist und die Miete, das Auto und den nächsten Urlaub sichert. Es geht wie gesagt um Gegebenheiten oder Situationen, bezüglich derer Sie lieber nichts sagen, jedoch auch nicht einverstanden sind. Was ertragen oder dulden Sie?

Experiment 2: Welchen Nutzen haben Sie davon?
Uuuh, jetzt wird es herausfordernder. Denn jetzt geht es darum, dass Sie schonungslos ehrlich aufschreiben, welchen Nutzen Sie davon haben, etwas zu ertragen, zu erdulden. Ihr Gremlin (Sie wissen ja, dieses kleine Monster in jedem, der innere Schweinehund) könnte zum Beispiel den großen Nutzen haben, Nähe und Vertrautheit zu zerstören, authentischen Kontakt zu vermeiden, Rache zu üben, das arme Opfer zu spielen, das ja doch nicht bekommt, was es will. Oder er könnte den großartigen Grund erfinden, dass im Leben eben nicht alles so einfach ist und rund läuft, insbesondere nicht für Sie und dass Sie eben einfach gewisse Dinge ertragen müssen. Tolle Opfergeschichte! ER-TRAGEN… Manche Menschen ziehen den herrlichen, versteckten Nutzen daraus, dass andere Personen in ihrem Umfeld sehen, wie vermeintlich stark sie sind und sie dadurch Anerkennung bekommen, getreu dem Motto „Schaut her, was ich alles zu ertragen habe bzw. ertragen kann!“

Seien sie wirklich ehrlich. Ihr Gremlin wird diese Übung hassen. Das ist okay. Geben Sie ihm ein Stück Schokolade oder einen Kaffee, damit er für diese Übung etwas zu fressen hat und Sie nicht von dem Experiment abhält. Oder geben Sie ihm die interessante Aufgabe, Ihnen mindestens 5 seiner Schattenabsichten zu nennen, wenn Sie etwas in Ihrem Leben erragen.


Die entscheidende Frage ist oftmals, wie Sie dahin kommen, dass Sie Veränderungen oder Gegebenheiten akzeptieren können.

Insbesondere bei spontanen Veränderungen ist es entscheidend, die verschiedenen Phasen des Veränderungsprozesses* zu durchlaufen. Es handelt sich um insgesamt 5 Phasen, die mit jeweils einem Gefühl verbunden sind. Lassen Sie uns einmal zu dem Restaurant-Beispiel „Italiener vs. Asiate“ zurückkehren und die 5 Phasen betrachten:

1.    Phase 1: Verleugnung – Angst
Verleugnung ist meist die erste Phase bei Veränderung. Die 2 Personen, die zum Asiaten wollen, könnten das z. B. wie folgt ausdrücken: „Was? Oh nein! Ihr wollt doch nicht im Ernst zum Italiener, oder?“ Das dahinter steckende Gefühl ist Angst. Angst, dass das, was sie sich vorgestellt haben, zusammenbricht und nicht mehr relevant ist, übergangen wird oder sie ihre Position verlieren könnten.

2.    Phase 2: Empörung – Wut
Nachdem der erste Schock verdaut wurde, kommt der Zustand der Empörung. Ein innerer Mechanismus springt an, der Sie die eigene Position verteidigen lässt. Es kommt u. U. zur Diskussion und die eigene Position wird mit Argumenten untermauert. Die Asiaten-Fans könnten z. B. sagen: „Oh man, immer muss es der Italiener sein. Das nervt. Beim Italiener waren wir doch neulich erst.“

3.    Phase 3: Verhandlung – vermischte Gefühle
Das ist die Phase in der Sie, wenn Sie Ihre Position gefährdet sehen, einen Kompromiss vorschlagen. Genauer gesagt ist es der Gremlin, der mit cleveren Mitteln versucht „faule“ Kompromisse ins Spiel zu bringen, sodass die andere Person auch nicht gewinnt. Im Restaurant-Beispiel könnten die Befürworter des asiatischen Restaurants z. B. sagen: „Hey, wieso gehen wir nicht einfach mal ganz woanders hin, zum Beispiel zum Afghanen? Da waren wir noch nie!“ In dieser Phase sind oftmals verschiedene Gefühle vermischt.

4.    Phase 4: Gram – Traurigkeit
In der vierten Phase erkennen Sie, dass Sie Ihre Position aufgeben müssen. Das damit einhergehende Gefühl ist Traurigkeit. Im Falle des Restaurants ist das die Erkenntnis, dass die Mehrheit zum Italiener möchte. Es ist die traurige Erkenntnis, dass Sie das, worauf Sie sich vielleicht so sehr gefreut haben, nicht bekommen.

5.    Phase 5: Akzeptanz – Freude
Schließlich gelangen Sie zur Phase der Akzeptanz. Das damit zusammenhängende Gefühl ist Freude. Doch genau diese Phase birgt die größte Herausforderung. Die Falle die in dieser Phase lauert, ist die sogenannte vermeintliche Akzeptanz. Das bedeutet, dass Sie zwar „Jaja“ sagen, doch innerlich nicht wirklich zustimmen. Es ist eine Pseudo-Akzeptanz. Und Sie sind garantiert in der Pseudo-Akzeptanz, wenn Sie innerlich weiter wütend sind, oder diese netten Stimmen in Ihrem Kopf Sätze plappern wie „Oh man, das nächste Mal gehe ich alleine essen. Immer das gleiche.“


Um zur wahren Akzeptanz zu gelangen, ist es entscheidend, dass Sie sich klar machen, was Sie tatsächlich wollen und was Ihre wahre, helle Absicht ist, nicht Ihre sogenannte Gremlin Schattenabsicht. Sie werden vielleicht lachen, doch die wenigsten Menschen sind in der Lage zu sagen, was sie wollen.

Experiment 3: Was wollen Sie wirklich?
Schauen Sie sich noch einmal die Liste aus Experiment 1 an. Das sind die Dinge, die Sie in Ihrem Leben aktuell ertragen. Nun schreiben Sie auf, was Sie stattdessen tatsächlich wollen. Legen Sie los und lesen Sie erst weiter, wenn Sie Ihre Liste erstellt haben.



Haben Sie alles aufgeschrieben? Nun zählen Sie einmal folgendes:

·         Wie viele Punkte haben Sie, die eine Negierung enthalten? (Also z. B. „Ich will keinen Streit mehr mit meinem Mann um das Aufräumen der Garage“ oder „Ich will nicht ständig mit meinem Chef diskutieren müssen“).

·         Wie viele Punkte haben Sie, die andere Menschen einbeziehen? (Z. B. „Ich will, dass mein Nachbar leiser Musik hört“ oder „Ich will, dass mein Partner mehr klare Grenzen gegenüber den Kindern setzt.“)

Gut, hier die Auflösung: Alle Punkte, die in die beiden soeben genannten Kategorien fallen, sagen NICHTS darüber aus, was SIE wollen. Stattdessen sagen diese Punkte aus, was Sie nicht wollen, bzw. was Sie wollen, dass andere Leute tun. Es ist erstaunlich, dass viele Menschen ad hoc Schwierigkeiten haben, das auszudrücken, was sie selbst wollen.

Formulieren Sie diese Punkte nun so um, dass sie genau aussagen, was Sie wollen. Z. B. „Ich möchte mehr Harmonie in meiner Partnerschaft“, oder „Ich möchte mehr Teamwork in der Firma“, oder „Ich möchte eine nette Nachbarschafts-Beziehung“ oder „Ich möchte mehr Klarheit und Grenzen in der Familie“.

Klarheit darüber zu haben, was Sie wollen, ist der erste Schritt, um aus dem „Ich-Ertrage-Es-Opfer-Modus“ heraus zukommen. Wenn sie wissen, wo Sie hin möchten, können Sie im zweiten Schritt klar sehen, wo Sie in Aktion treten müssen.  Sie kommen vom „Wollen“ ins „Tun“. Vielleicht ist es an der Zeit Grenzen zu setzen, oder Entscheidungen zu treffen. Seien Sie authentisch. Bleiben Sie nicht in der vermeintlichen Akzeptanz, im Ertragen hängen, nur um zu vermeiden, Grenzen zu setzen oder klare Entscheidungen zu treffen. Wie viel Zeit wollen Sie noch vergeuden mit dem Ertragen von Situationen? Wie viel unbewussten Groll wollen Sie noch aufbauen? Etwas zu ertragen schürt unbewusst das Aufbauen von Groll. Nutzen Sie stattdessen Ihre Wut bewusst, um in Aktion zu treten oder Grenzen zu setzen. Wenn Sie mehr Harmonie in der Partnerschaft wollen, denn spiegelt Ihnen das Universum genau das wieder, nämlich die Erfahrung von „es wollen, aber nicht haben“. Können Sie akzeptieren, dass Sie im Augenblick keine Harmonie in der Partnerschaft haben? Und wenn ja, was tun Sie im nächsten Schritt, um verantwortlich die helle Absicht von Harmonie in Ihre Partnerschaft zu bringen?

Der Gremlin ist clever. Er liebt es etwas zu er-tragen, um jammern zu können, um ja keine Verantwortung übernehmen zu müssen, oder um Beziehung durch Groll zu zerstören. Welche Schattenabsichten sind beim Er-TRAGEN am Werk und um welche hellen Absichten geht es Ihnen tatsächlich? Im einfachen Beispiel des Restaurants könnten Sie zum Beispiel die Frage stellen: „Worum geht es wirklich?“ Geht es darum Recht zu haben und Ihren Willen durchzusetzen und es zu ertragen, wenn es dann doch zum Italiener anstatt zu Ihrem Asiaten geht (unverantwortliche Schattenabsicht)? Oder geht es Ihnen tatsächlich darum, gemeinsam mit Freunden essen zu gehen (verantwortliche Helle Absicht)? Was wollen Sie wirklich? Und wenn letzteres Ihre helle Absicht wäre, wie leicht wäre es dann, die Wahl für das Italienische Restaurant voll und ganz zu akzeptieren, um verantwortlich Gemeinschaft mit Freunden zu kreieren?

Hat (akzep-)TANZEN oder (er-)TRAGEN in Ihrem Leben die Oberhand? Tanzen oder Tragen, Authentizität oder Farce, Kreieren oder Feststecken, es liegt in Ihrer Hand.

In diesem Sinne herzlich tanzende Grüße,
Ihre Nicola Nagel

* Die 5 Phasen zur Anpassung an Veränderung stammen ursprünglich von Elisabeth Kübler-Ross und wurden im Rahmen des Possibility Managements abgewandelt und auf andere Themenbereiche übertragen.