Montag, 14. Februar 2011

Soll ich, oder soll ich nicht? - Über die Qual der Entscheidung

Standen Sie schon einmal an einer Wegkreuzung in Ihrem Leben und wussten nicht, ob Sie links oder rechts gehen sollen? Und dann war sie plötzlich da, diese nagende Frage „Soll ich, oder soll ich nicht?“ Soll ich einen neuen, ungewohnten und ungewissen Weg beschreiten, oder doch lieber den bekannten Pfad weitergehen? Soll ich meinen Job kündigen oder bei der jetzigen Firma bleiben? Soll ich mich von meinem Partner trennen oder doch lieber verweilen? Soll ich eine verrückte, unkonventionelle Idee verfolgen oder nicht?

Alternativ zu „Soll ich oder soll ich nicht?“ stellen Sie sich vielleicht auch gelegentlich die Frage „Wie soll ich das nur machen?“ oder „Was soll ich bloß tun?“

Die gute Nachricht ist, es gibt auf alle 3 Fragen nur eine Antwort:„JA!“

„Wie bitte? Das ist doch keine Antwort!“, sagen Sie jetzt vielleicht. Richtig, für Ihren Verstand, für Ihr Ego, für Ihre Box ist das „JA!“ keine Antwort. Und genau darum geht es. SIE SIND NICHT IHR VERSTAND! Der Verstand oder auch intellektueller Körper genannt, ist jedoch derjenige, der in unserer Gesellschaft am meisten genährt ist. Schon in der Schule bekommen wir beigebracht, dass wir möglichst viel wissen müssen, um überleben zu können. Wer heute nicht studiert hat, wird fast schon schräg angeschaut. Also häufen wir immer mehr von diesem Wissen an und sobald es darum geht, eine Entscheidung zu fällen, zieht der Verstand alle Register. Er kommt mit Logik und Argumenten, Geschichten und Meinungen und ein unaufhörliches Geplapper beginnt im Kopf.

Hand auf’s Herz, wie oft führen Sie in Gedanken Selbstgespräche, Diskussionen mit Kollegen oder Freunden, denken über eine vergangene Situation nach oder sinnieren über die Zukunft? Unser Verstand ist brillant darin, denn er ist darauf spezialisiert unaufhörlich Gedanken zu produzieren.

Hatten Sie schon einmal eine spontane, verrückte Idee, von der Sie richtig begeistert und sofort überzeugt waren und im nächsten Augenblick hat sich Ihr Verstand eingeschaltet und Ihnen gesagt, dass diese Idee absolut irrational und damit Quatsch ist? Wie viele spannende, lebendige oder verrückte Möglichkeiten haben Sie dadurch schon verstreichen lassen?

Die Sache ist die: der Verstand ist darauf trainiert, alles zu verstehen und logisch zu begründen. Es ist wie ein eingebauter Sicherheitsschalter. Der Verstand braucht hieb- und stichfeste Argumente, um eine Entscheidung zu untermauern. Und nicht nur er braucht diese Argumente. Wenn Sie heute eine Entscheidung fällen und dafür keinen guten Grund haben, dann werden Sie unter Umständen von Ihren Freunden, Kollegen oder Nachbarn schräg angeschaut.

Welche Möglichkeiten haben Sie also, wenn Sie vor der Frage „Soll ich oder soll ich nicht?“ stehen.

Unterscheidung 1: Nur im JETZT haben Sie Kraft
Um sich entscheiden zu können, ist es wichtig, zunächst einmal im JETZT präsent zu sein. Wie oft haben Sie eine Entscheidung nicht getroffen, weil etwas Ähnliches in der Vergangenheit schief ging, oder Sie sich Sorgen gemacht haben, wie es denn in der Zukunft weitergeht? Sie haben keine Kraft in der Vergangenheit und auch nicht in der Zukunft. Wenn Sie mit Ihren Gedanken immer wieder in der Vergangenheit oder Zukunft unterwegs sind, dann stecken Sie fest. Das was bereits passiert ist, können Sie nicht mehr ändern, noch nicht einmal das, was vor 1 Sekunde passiert ist. Es ist passiert. Ob Sie im Nachhinein eine Geschichte dazu spinnen oder sich überlegen, wie es hätte sein können, wenn Sie etwas anders gemacht hätten, ändert an der Situation nichts mehr. Genauso wenig können Sie beeinflussen, was in der Zukunft liegt, denn sie ist noch nicht da. „Wie wird es wohl werden, wenn…..“ Der Verstand ist wirklich clever in diesem Fragenwälzen. Ich lade Sie ein, stattdessen Ihre wertvolle Energie zu sparen. Der einzige Moment, in dem Sie wirklich Kraft haben ist JETZT, in der Gegenwart. Schöpfung und Kreieren passiert JETZT, Unterscheidungen werden JETZT gemacht, Entscheidungen werden JETZT getroffen.

Wie groß ist dieses JETZT? Wir können das JETZT als genau diesen Augenblick definieren. Wie groß ist ein Augenblick? Nun, Augenblicke ändern sich, je nachdem, was gerade passiert. Wie Einstein bereits sagte, Zeit ist relativ. Ein Moment, in dem Sie auf einer heißen Herdplatte sitzen, ist viel zu lang. Ein Moment, in dem Sie Hand in Hand mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin spazieren gehen, ist viel zu kurz.

Im Allgemeinen können wir einen Augenblick als die Zeitspanne definieren, die es braucht, um eine Entscheidung zu fällen. Ein Augenblick dauert somit 3 Sekunden: 1 Sekunde, um die Entscheidung zu treffen und 2 Sekunden, damit die Entscheidung in Ihrem Ego oder Ihrer Box landet und Sie anschließend in Aktion treten können.

Bleiben Sie also präsent im JETZT. Nehmen Sie wahr, was JETZT gerade um Sie herum geschieht. Spüren Sie hin. Hören Sie hin. Schauen Sie hin. Das Wichtigste, was jemals in Ihrem Leben passiert, passiert gerade in diesem Moment. Sie haben nur diesen Moment. (Film-Tipp: Der Pfad des friedvollen Kriegers). Fallen Sie aus Ihrem Verstand heraus ins JETZT. Wie fühlen Sie sich gerade? Wütend, ängstlich, traurig, froh? Was nehmen Sie wahr?

Experiment:
Um zu trainieren und sich immer wieder daran zu erinnern, wo das JETZT ist, lade ich Sie zu folgendem Experiment ein: Suchen Sie sich einen schönen kleinen Stein in der Natur. Form und Farbe spielen keine Rolle. Spüren Sie bewusst hin, welcher Stein Sie „anlacht“. Dann tun Sie diesen Stein in Ihre Hosentasche. Jedes Mal, wenn Sie den Stein mit dem Finger berühren und ihn bewusst spüren wissen Sie wo JETZT ist, denn Sie können ihn nur JETZT spüren. Und Sie können JETZT eine neue Entscheidung treffen.

Unterscheidung 2: Es gibt keine falsche Entscheidung
Stellen Sie sich vor, Sie könnten niemals im Leben eine falsche Entscheidung treffen. Wie wäre das für Sie? Was würden Sie dann aus Spaß einfach mal ausprobieren oder entscheiden?

Das Schöne ist, Sie können tatsächlich keine falsche oder schlechte Entscheidung treffen. Wenn Sie Entscheidungen in gut und schlecht bzw. richtig und falsch einteilen, dann setzen Sie Ihre Entscheidungen gegen ein Bewertungssystem, dass in sich irrsinnig ist. Wer bestimmt, was gut oder schlecht ist? Die Gesellschaft? Ihr Nachbar? Die Eltern? Ihr Chef? Die Kategorisierung in gut und schlecht wurde ursprünglich von der Kirche ins Leben gerufen und hat der Geschichte 700 Jahre Inquisition beschert. Und selbst das ist nicht gut oder schlecht. Erstaunlicherweise hat sich dieses Bewertungssystem jedoch zäh gehalten und ist in unseren Zellen fest verankert. Ich lade Sie daher zu dem Experiment ein, dieses Konstrukt über Bord zu werfen. Versuchen Sie einmal Entscheidungen, Handlungen oder Personen (inklusive Ihnen selbst) nicht in gut und schlecht zu kategorisieren, sondern alles als neutral zu sehen.

Wenn es um Ihre Entscheidungen geht, gibt es kein „gut“ und „schlecht“, kein „richtig“ und „falsch“. Sie treffen lediglich eine Entscheidung. Die Entscheidung ist so wie sie ist. Sie ist neutral. Sie müssen lediglich Verantwortung übernehmen und die Konsequenzen tragen.

Wenn eine andere Person übrigens ein Problem mit Ihrer Entscheidung hat, dann lassen Sie diese Person bitte ihr Problem haben. Sie hat hart dafür gearbeitet, sich dieses Problem zu kreieren und daraus zu lernen. Retten Sie die andere Person nicht und nehmen Sie sich nicht selbst die Kraft, indem Sie versuchen, es der anderen Person recht zu machen und Ihre Entscheidung abzuschwächen oder gar zu ändern.

Neulich fragte mich eine Freundin: „Ja, aber wenn ich einfach nicht weiß, welche von 2 oder mehr Optionen ich nun wählen soll, was mache ich denn dann?“

Experiment:
Spüren Sie im JETZT einmal hin und probieren Sie JETZT die verschiedenen Entscheidungs-Möglichkeiten an! Stellen Sie sich vor, Sie haben sich bereits für Option 1 entschieden. Wie geht es Ihnen JETZT mit dieser Entscheidung. Wie fühlt sich die Entscheidung JETZT an? Fühlt sie sich stimmig an oder fühlen Sie sich damit unwohl? Dann ziehen Sie diese Option wieder aus und probieren die nächste Wahlmöglichkeit an. Wie fühlt sich JETZT die 2. Option an? Probieren Sie die Entscheidungsoptionen an wie verschiedene Hosen oder Pullover und schicken Sie den Verstand für dieses Experiment derweil in den Urlaub. Sie werden erstaunt sein, wie schnell Sie Klarheit haben, welche Entscheidung ansteht.

Und: wenn Sie eine Entscheidung getroffen haben, und nach einiger Zeit merken, dass der eingeschlagene Weg nicht mehr stimmig ist, dann treffen Sie einfach eine neue Entscheidung. Die alte Entscheidung, war deswegen nicht „falsch“. Sie hat sie auf Ihrem Weg auch weiter gebracht. Und Sie können sich alle 3 Sekunden neu entscheiden.

Unterscheidung 3: Es ist okay „nicht zu wissen“
Was viele Menschen auch von Entscheidungen abhält ist der Verstand, der gerne kontrollieren möchte, wie die Dinge laufen. Auf dem bekannten Pfad weiterzugehen ist somit oft eine scheinbar sehr attraktive Option. Sind Sie schon einmal davor zurückgeschreckt eine Entscheidung zu treffen, die Sie auf einen neuen Weg geführt hätte, weil Sie nicht wussten, wie es dann sein würde? Wird es funktionieren? Was muss ich tun? Angst vor dem Nicht-Wissen, vor dem Unbekannten hindert uns oft daran, Veränderungen in unserem Leben vorzunehmen. Erst wenn der Schmerz groß genug ist, sehen wir uns veranlasst etwas zu ändern. Anstatt den Schritt ins Unbekannte zu wagen, liebt es unser Verstand, an Gewohntem oder Sicherem festzuhalten, weil es einfach unglaublich bequem ist. Wie viele Menschen gehen deswegen einem Job nach, der zwar okay ist, aber sie nicht erfüllt? Wie viele Menschen sind deswegen mit einem Partner zusammen, mit dem sie sich arrangiert haben, den sie aber nicht aus ganzem Herzen lieben? Wie viele kreative, lebendige oder verrückte Ideen haben Sie nicht umgesetzt, weil der Verstand Ihnen gesagt hat, dass er das nicht kontrollieren kann?

Entscheiden Sie sich JETZT, in diesem Moment neu! Sie müssen nicht wissen, wie etwas geht oder was kommt. Haben Sie Mut Entscheidungen zu treffen, ohne zu wissen, wie etwas funktioniert. Wenn Sie sich grundsätzlich nur entscheiden, sobald Sie ganz klar absehen können, wie es weitergeht, dann können Sie auch nur die Möglichkeiten im Leben wahrnehmen, die Ihr Verstand kontrollieren kann und damit sind Sie wieder nicht im JETZT präsent, sondern bei dem, was Sie sich schon ausgemalt haben. Entscheiden Sie sich stattdessen, ohne zu wissen und vertrauen Sie dem Prozess.

Experiment:
Um einmal auszuprobieren, wie es ist, sich zu entscheiden, ohne zu wissen, lade ich Sie zu folgendem Experiment ein: Entscheiden Sie sich einmal dafür etwas zu tun, was Sie noch nie getan haben und von dem Sie keine Ahnung haben, wie es geht. Gehen Sie z. B. einmal in ein afrikanisches oder albanisches Restaurant und entscheiden Sie sich für ein Gericht, von dem Sie nicht wissen, wie es schmeckt oder wie Sie es essen müssen. Was macht Ihr Verstand in dem Moment? Möchte er sofort den Kellner um Rat fragen? Oder sucht er heimlich doch nach einem Gericht auf der Karte, das einigermaßen vertraut klingt? Oder kaufen Sie einmal auf dem Markt ein Gemüse oder eine Frucht von der Sie keine Ahnung haben, wie man sie wohl zubereitet. Experimentieren Sie mit dem Nicht-Wissen.

Die spannende Frage ist dann: Ist es für Sie in Ordnung, nicht zu wissen? Wenn Sie nämlich nicht alles wissen müssen, dann können Sie mehr im JETZT sein, mit dem was gerade passiert und dadurch ungeahnte Möglichkeiten entdecken. Wenn Sie am Alten festhalten, weil Sie nicht wissen, was kommen wird, dann blockieren Sie sich selbst. Dann ist kein Platz da für etwas Neues, weil das Alte den Eingang versperrt. Wenn Sie sich jedoch entscheiden, Platz zu machen und sich selbst aus dem Weg zu gehen, dann kann etwas Neues entstehen und sich entfalten.

Sie müssen übrigens auch nicht wissen, warum Sie sich für etwas entscheiden. Kinder haben eine herrliche Gabe: Sie wählen ohne Grund. Wenn Sie ein Kind fragen, warum es z. B. etwas links herum und nicht rechts herum gemacht, bekommen Sie oft als Antwort „Darum!“. Wenn Sie ein Argument, einen Grund oder eine Rechtfertigung abgeben für eine Entscheidung, wer hat dann die Kraft, Sie oder der Grund? … In dem Moment geben Sie dem Grund die Kraft. Wenn Sie jedoch ohne Grund wählen, dann haben Sie die Kraft, dann sind Sie Ihre eigene Autorität und sparen sehr viel Energie, die sonst in Erklärungen und Rechtfertigungen fließt.

Ein sehr schönes Zitat aus dem Film „Der Pfad des friedvollen Kriegers“ möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

„Wo bist Du?“ – HIER
„Wie spät ist es?“ – JETZT
„Was bist du?“ – DIESER MOMENT

In diesem Sinne, entscheiden Sie sich für das, was durch Sie gelebt werden will und was für Sie im Innern wirklich stimmig ist. Sie haben die Möglichkeit, sich alle 3 Sekunden neu dafür zu entscheiden.

Herzliche Grüße,

Ihre Nicola Nagel