Dienstag, 13. Dezember 2011

Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Sie haben mehr als nur einen Körper…

Die Weihnachtszeit ist ja in ihrem Ursprung eine besinnliche Zeit. Da liegt es nahe, die moderne Konsum-Weihnacht einmal in den Hintergrund treten zu lassen und eine besinnliche, philosophische Frage zu stellen. Die Frage, die ich Ihnen heute stellen möchte, habe ich von dem deutschen Philosophen Richard David Precht geliehen und sie lautet: „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“

Haben Sie sich diese Frage gelegentlich schon einmal gestellt: „Wer bin ich eigentlich?“ Wer sind Sie, wenn Sie sich einmal aus den Griffen der modernen Gesellschaft befreien und sich nicht über das Haus, das Auto, den Job und die Familie definieren oder darüber, wie teuer die Weihnachtsgeschenke sind, die Sie einkaufen? Wer sind Sie dann in Ihrem Kern?

Die Antwort, die ich oftmals höre lautet zunächst: „…???...“ und nach einiger Zeit des Überlegens: „Naja, wenn ich mich nicht über das definiere, was ich tue oder habe, dann bin ich in erster Linie mein Körper.“ Aha. Und sonst? Die zweite Antwort lautet oft „Nun ja, ich habe auch einen Verstand“. Okay, und abgesehen davon? … Dann ist meist Sendepause.

Wie wäre es für Sie zu wissen, dass Sie nicht nur einen, sondern insgesamt 4 Körper haben? Ohohohohoh… da geht es schon los. Da höre ich schon einige sagen „WAS?“ oder „WIE?“ Doch damit sind wir auf einem prima Weg, denn schon stellt sich der ein oder andere die Frage „Wenn ich nicht nur mein physischer Körper bin, wer bin ich denn dann noch?“ Lassen Sie uns genau damit beginnen und einmal gemeinsam schauen, welche 4 unterschiedlichen Körper es gibt?

1. Der physische Körper:
Dies ist der offensichtlich bekannteste Körper. Er hat unter anderem Knochen, Muskeln, Sehnen, Organe und nutzt die 5 Sinne. Die Nahrung für den physischen Körper besteht aus Lebensmitteln, Flüssigkeit, Luft und Bewegung. Der physische Körper kann zudem - wie jeder der 4 Körper - Schmerz oder Ektase empfinden. Physischen Schmerz erleben Sie z. B. wenn Sie sich mit dem Hammer auf den Daumen hauen, wenn Ihnen übel oder schwindelig ist, das Licht zu grell oder die Musik zu laut ist. Physische Ekstase hingegen beinhaltet z. B. das Schlürfen eines cremigen Cappucinos in der Sonne, Tanzen, Bergsteigen, Yoga, Singen und ja, auch Orgasmus.

2. Der intellektuelle Körper:
Der zweite ist der intellektuelle Körper. Dies ist der Verstand mit seinen Gedanken, Ideen, Meinungen, Erwartungen und Glaubenssätzen. Auch dieser braucht Nahrung und kann Schmerz oder Ekstase empfinden. Intellektuelle Nahrung besteht unter anderem aus Büchern, Wissen, Gesprächen, einem Theaterbesuch oder Ideen und Plänen. Intellektueller Schmerz tritt auf, wenn Sie z. B. verwirrt sind, Ihr Portemonnaie nicht finden, nicht wissen, welcher Tag heute ist, oder einfach keine Lösung für ein Problem finden. Intellektuelle Ekstase stellt sich hingegen ein, wenn Sie – wie es meiner Mutter einmal passierte – Ihr Portemonnaie mit den Einkäufen im Kühlschrank wiederfinden, sich erinnern, welcher Tag heute ist oder die Lösung für ein Problem finden.

3. Der emotionale Körper:
Dieser Körper ist das Herz mit seinen Gefühlen (derer es nur 4 gibt: Wut, Traurigkeit, Freude und Angst). Die Nahrung, die dieser Körper braucht besteht z. B. darin, die Gefühle klar und authentisch mit jemandem auszutauschen, sich aufrichtig mitzuteilen und gehört zu werden. Emotionaler Schmerz tritt auf, wenn Gefühle unterdrückt, geleugnet oder vermischt werden. Emotionale Ekstase erleben Sie hingegen, wenn Sie Ihre Gefühle ungehindert mitteilen können und gehört werden, sowie die Energie und Information, die hinter den vier Gefühlen steckt, klar und verantwortlich nutzen.

4. Der energetische Körper:
Der vierte Körper ist der sogenannte energetische Körper. Es ist unser Sein, das Präsenz und Vision hat, sowie Zugang zur Vorstellungskraft. Auch dieser Körper braucht Nahrung, die z. B. darin besteht, sich in Gegenwart von geheiligten Artefakten oder an besonders kraftvollen Orten aufzuhalten. Auch eine bestimmte Art Stress, bei der Sie sich erst einer Sache verpflichten, bevor Sie wissen, wie es geht, nährt den energetischen Körper. Energetischer Schmerz tritt ein, wenn Sie sich z. B. ein Gefängnis aus Gründen erschaffen, um Ihrer Bestimmung nicht folgen zu müssen. Er beinhaltet auch armselige Führung, mangelnde Vision, Existenzangst, oder der Eindruck, auf dem falschen Weg zu sein. Energetische Ekstase hingegen erleben Sie zum Beispiel, wenn Sie Ihrer Bestimmung folgen, Sie präsent und in Kontakt mit jemandem sind, oder Sie „im Fluss“ mit dem Universum sind.

Was denken Sie, welcher der 4 Körper ist in unserer Gesellschaft am meisten ausgeprägt? Ganz genau, der intellektuelle Körper. Schon von klein auf wird uns eingetrichtert, dass es wichtig ist, möglichst viel zu wissen und Antworten parat zu haben. In der Schule, im Studium und auch später im Job stopfen wir immer mehr Wissen in uns hinein, sodass unser intellektueller Körper fett genährt ist, wie die Made, die sich im Speck suhlt.

Der physische Körper ist auch noch ein wenig genährt, denn schließlich essen die meisten von uns regelmäßig und Sport macht der ein oder andere auch.

Wie sieht es jedoch mit dem emotionalen und energetischen Körper aus? Nun, diese beiden Körper sind in unserer modernen Gesellschaft regelrecht verkümmert und verhungert. Es besteht somit ein massives Ungleichgewicht zwischen den 4 Körpern, sodass wir nicht in Balance und in unserer vollen Kraft sind.

Lassen Sie uns den Aspekt der 4 Körper noch etwas weiter ausdehnen. In der besinnlichen Weihnachtszeit geht es oft um das Thema Beziehung; die Beziehung zum Partner, zur Familie, zu Freunden und Verwandten. Wie viele Menschen malen sich aus, dass sie zur Weihnachtszeit einfach in schöner Beziehung mit ihren Lieben verbunden sind, doch dann bitter erkennen, dass die Beziehung irgendwie nicht so toll, authentisch, erfüllend und innig ist, obwohl sie die andere Person doch lieben?

Das liegt daran, dass Beziehungen nicht aus Mangel an Liebe sondern aus Mangel an Intimität sterben. Lassen Sie das einmal sacken:

Beziehungen sterben nicht aus Mangel an Liebe.
Beziehungen sterben aus Mangel an Intimität.

Um eine Beziehung aufrecht zu erhalten, ist es wichtig Intimität zu leben und zwar in allen 4 Körpern. So wie es 4 Körper gibt, gibt es auch 4 unterschiedliche Arten von Intimität. Diese Unterscheidung ermöglicht Ihnen, auf eine völlig neue Art und Weise Ihre Beziehungen zu nähren.

1. Physische Intimität:
Diese beinhaltet z. B. gemeinsam singen, tanzen, kochen, Geschirr spülen, gärtnern, Schlittenfahren, Händchen halten, spazieren gehen, den Weihnachtsbaum schmücken, einen Schneemann bauen, Skifahren, die Haare des anderen kämmen oder die Zähne des anderen putzen, ein gemeinsamer Saunabesuch, sich gegenseitig massieren und Sex.

2. Intellektuelle Intimität:
Diese Art Intimität beinhaltet miteinander reden, diskutieren, der gemeinsame Besuch eines Theaters, eines Museums, der Oper, eines Workshops, Geschichten erzählen und Bücher vorlesen oder auch Spiele spielen.

3. Emotionale Intimität:
Dazu gehört Verletzlichkeit, Offenheit, tiefes Zuhören, Wärme, Mitgefühl, Leidenschaft, der offene, vertrauensvolle Austausch der vier Gefühle („Ich fühle mich wütend, ängstlich, traurig, froh, weil…“), Feingefühl, die authentische, aufrichtige Kommunikation „ohne Maske“ (d. h. ohne die Vorgabe des Egos, gut aussehen zu müssen).

4. Energetische Intimität:
Diese Art Intimität beinhaltet z. B. mit jemandem zu SEIN, präsent und in Kontakt zu sein, gemeinsam meditieren und Rituale abzuhalten (Partnerschafts-Rituale, ein spezielles Weihnachtsritual, Meditationsritual etc.), in Gemeinschaft sein (ohne die Absicht, jemanden verändern zu wollen), Einssein, gemeinsame Entwicklung, sich in der Geschwindigkeit der Liebe bewegen.

Wenn der Intimität in einer Beziehung kein Raum geben wird, dann bricht die Beziehung auseinander oder bleibt nur an der Oberfläche. Sicher hat jede Beziehung ihre Art der Intimität. Mit ihrem Partner tauschen Sie zum Beispiel andere physische Intimität aus, als mit Ihrer besten Freundin oder Ihrem besten Freund. Eine Beziehung kann jedoch nur dann über das oberflächliche Maß hinausgehen, wenn sie regelmäßig in den verschiedenen Bereichen genährt wird. Gerade in einer Partnerschaft ist es entscheidend, idealerweise alle 4 (mindestens jedoch 2) Arten von Intimität bewusst zu leben. Würde die Partnerschaft zum Beispiel nur auf physischer Intimität beruhen, so wäre die Beziehung langfristig nicht stabil und würde irgendwann zerbrechen, weil die anderen 3 Körper nicht genährt werden.

Ich möchte Sie nun gerne zu folgendem Experiment einladen:

Experiment: Bringen Sie Ihre Beziehung auf eine neue Ebene
Es ist ein riskantes, vielleicht sogar gefährliches Experiment, denn Ihr Ego wird eventuell auf die Barrikaden gehen. Wenn Sie einmal auf Ihre Beziehungen schauen, zu wem würden Sie Ihre Beziehung gerne verbessern? Mit wem haben Sie eine Beziehung, die an der Oberfläche vor sich hin dümpelt, von der Sie sich aber tatsächlich wünschen, sie auf eine tiefere Ebene zu bringen? Haben Sie eine Person? (Ich ermutige Sie, jemanden zu nehmen, den Sie in den nächsten Tagen tatsächlich auch physisch sehen und nicht Ihren Großonkel aus Südamerika, den Sie zuletzt vor 15 Jahren getroffen haben).

Jetzt lade ich Sie ein, ein Blatt Papier zunehmen und dieses durch das Aufzeichnen zweier Linien in 4 Quadranten aufzuteilen. Beschriften Sie die Quadranten jeweils mit physischer, intellektueller, emotionaler und energetischer Intimität. Nun schreiben Sie auf, welcher der 4 Bereiche genährt wird. Schreiben Sie in den jeweiligen Quadranten, was genau Sie mit der Person austauschen (z. B. physisch: gemeinsam Tennisspielen, Joggen, intellektuell: Diskussion über Bergsport, emotional: ---, energetisch: ---)

Schauen Sie nun, welcher Bereich nicht genährt ist und dazu führt, dass die Beziehung nur an der Oberfläche bleibt. Um eines gleich vorweg zu nehmen: Es liegt nicht nur an der anderen Person, dass die Beziehung oberflächlich bleibt. Wenn Ihr Verstand jetzt gerade das Argument auffährt, dass der andere sich nicht öffnet und sich nicht verletzlich zeigt, dann ist die Person in Wahrheit nur ein Spiegel für Sie. Stellen Sie sich also in dem Fall die Frage, wo Sie nicht offen und verletzlich sind. Sobald Sie etwas verändern, verändert sich Ihr Umfeld automatisch.

Überlegen Sie nun anhand der oben genannten Beispiele, welche Art Intimität angemessen wäre und Sie hinzufügen könnten, um die Beziehung auf eine neue Ebene zu bringen. Vielleicht könnte ein gefährliches Experiment für Sie darin bestehen, der Person einmal offen Ihre Gefühle mitzuteilen und sich verletzlich zu zeigen („Ich fühle mich wütend, ängstlich, traurig, froh, weil…).

Lassen Sie sich bei diesem Experiment nicht von Ihrem Ego (Ihrer Box) täuschen. Wenn Sie den Mangel an Intimität in Ihrer Beziehung zu der Person ausfindig gemacht haben, spüren Sie vielleicht Angst, dieses neue Terrain zu betreten. Das Ego wird womöglich mit diversen Gründen und Ausreden aufwarten, warum es besser ist, dieses Experiment doch nicht zu machen. Ich lade Sie ein, der Angst zu vertrauen. Fangen Sie mit kleinen Intimitäts-Experimenten an. Sie werden erstaunt sein, wie bereits kleine Schritte, eine Beziehung auf eine neue Ebene bringen können.

Ich habe zum Beispiel folgendes erlebt: Zur Weihnachtszeit saß ich in einer Runde, in der das Gespräch sehr oberflächlich lief. Es ging ausschließlich darum, welcher Nachbar welche Krankheit hatte, welcher Kollege Probleme machte und wie das Wetter in den Bergen war. Ich dachte nach relativ kurzer Zeit, ich sei im falschen Film. Ich saß dort mit Menschen, die ich mochte, die ich nicht gerade häufig sah und es wurde oberflächliches Geplänkel ausgetauscht. Ich spürte, wie ich wütend wurde und dachte: „Mmmh… dafür ist mir meine Zeit wirklich zu schade.“ Der klassische Ausweg wäre gewesen, aufzustehen, sich zu verabschieden und etwas anderes zu machen. Doch das wäre nur der sichere, ungefährliche Weg für mein Ego gewesen. Stattdessen entschied ich mich für das obige Experiment.

Ich hatte Angst, denn es bedeutete, dass ich zuerst das Gespräch in eine neue Richtung steuern musste. Ich musste als erste in unbekanntes Gebiet gehen. Also gab ich mir einen Ruck und sagte: „Ich bin froh, mit Euch hier zu sein und gleichzeitig bin ich traurig, weil wir uns so selten sehen und ich mit Euch gerne über ganz andere Dinge sprechen würde. Zum Beispiel würde ich gerne mit Euch teilen, was mich gerade beschäftigt und würde gerne hören, wie es Euch im Herzen geht.“ Zack-Bumm. Es kehrte diese klassische Stille ein, in der man eine Stecknadel fallen hört und jeder versucht, einfach weiter zu atmen. Intimität ist für das Ego gefährlich, denn Intimität bedeutet, dass Sie die andere Person hinter Ihre Maske blicken lassen. Also machte ich wieder den Anfang. Ich erzählte, was mich beschäftigte, gab Gefühle und Verletzlichkeit von mir Preis und auf einmal klinkten sich alle anderen 3 Freunde ein. Es wurde eine sehr berührende Konversation, in der es plötzlich um die Träume und Wünsche jedes einzelnen ging, darüber, was jedem Sorgen machte oder auch Freude bereitete, welche Vision jeder hatte und was ihn oder sie begeisterte. Dieses Gespräch gewann so an Dynamik, dass wir bis spät in die Nacht am Tisch saßen und hinterher alle übereinstimmten, dass sie schon lange nicht mehr ein so bereicherndes Gespräch geführt hatten. Es war spürbar, das ein neues Vertrauen und eine tiefere Beziehung zwischen uns entstanden war.

Es lohnt sich also, über den eigenen Schatten zu springen. Warten Sie nicht länger darauf, dass die Beziehung zu einer Person, die Ihnen am Herzen liegt, sich vielleicht irgendwann bessern wird. Sie wissen nun etwas über die 4 Körper und die 4 Arten von Intimität. Sie haben den Schlüssel in der Hand und können ihn jederzeit anwenden (nicht nur zur Weihnachtszeit).

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine möglichkeitsreiche Weihnachtszeit und besinnliche Stunden in aufrichtiger Beziehung.

Herzlichst,
Ihre Nicola Nagel


Nicola Nagel ist Possibility Management Trainerin aus Berufung und bietet außergewöhnliche Trainings an, in denen die Teilnehmer in einem geschützten Raum nachhaltig ihr Potenzial entfalten können.


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Freitag, 11. November 2011

(Visionär) sein oder nicht sein? …Das ist immer noch die Frage…

Kürzlich war ich auf einem interessanten und zugleich verrückten Vortrag von einem der weltbesten Kletterer, dem Amerikaner Dean Potter. Dean hatte seit seiner Kindheit – bedingt durch einen wiederkehrenden Alptraum – die Vision, als Mensch fliegen zu können, ohne hart auf dem Boden aufzuschlagen und zu sterben. Er begann die Angst vor dem Fallen zu bannen, indem er schon als kleiner Junge versuchte Felsen hochzuklettern, ohne zu wissen, wie es geht. Stück für Stück kam er seinem Traum näher, indem er immer waghalsigere Klettermanöver in immer luftigerer Höhe durchführte. Er wurde bekannt für seine Solo-Begehungen diverser Kletterrouten und seine große Naturverbundenheit. Schließlich realisierte er seine Vision, indem er Klettern und Base-Jumping verband. Was heißt das? Er klettert alleine, ohne jegliche Sicherung, z. B. die Eiger-Nordwand soweit es geht mit seinen bloßen Fingern hoch und hat nichts als einen kleinen Fallschirm auf dem Rücken. Sollte er den Halt verlieren, dreht er sich in Lichtgeschwindigkeit in die richtige Position und fliegt zunächst in freiem Fall und schließlich mit dem Fallschirm zum Boden zurück.

Der ein oder andere mag jetzt denken: „So etwas Verrücktes. Das ist ja lebensgefährlich.“ Ja, das ist es. Und: darum geht es nicht. Es geht darum, dass Dean Potter einer der Menschen ist, die ihre Vision stetig verfolgt und schließlich realisiert haben. Wie schaut es mit Ihnen aus?

Ich möchte Sie direkt zu einem Experiment einladen:

Experiment 1: Was ist Ihre Vision?
Lassen Sie uns einmal annehmen, es gäbe keine Bedingungen, keine Verpflichtungen oder ähnliches? Welche Vision haben Sie? Oder welche Vision hatten Sie einmal, die jedoch irgendwann leise in der Schublade verstaubt ist und die Sie nicht verfolgt haben? Kommen Sie, gönnen Sie sich einen kurzen Augenblick, darüber nachzudenken. Schließen Sie für einen Moment die Augen, stellen Sie sich diese Frage und schauen Sie, was an Vision oder Inspiration hochkommt. Sie dürfen für die Länge dieses Artikels einfach einmal „rumspinnen“. Was würden Sie am liebsten einmal machen? Was würde Sie inspirieren? Wofür brennen Sie wirklich? Was würden Sie bereuen, nicht getan zu haben, wenn heute Ihr letzter Tag wäre? Wofür hätten Sie sich wirklich gerne eingesetzt?

Falls Ihr Verstand Ihnen jetzt sagt „Ich habe keine Vision“, dann antworten Sie einfach „Danke für den Kommentar“ und verbannen ihn für dieses Experiment ins Wartezimmer. Sie können dazu auch den Stimmen-Colt benutzen (siehe Artikel „Der Verstand ist ein Zoo“ vom Oktober 2011).

Die Vision, das wofür ein Mensch brennt und was ihn inspiriert, kommt nicht aus dem Verstand. Ihre Vision kommt aus Ihrem Sein. Erschrecken Sie daher nicht, wenn die Vision größer ist, als Sie (bzw. Ihr Verstand) im ersten Augenblick meinen, bewältigen zu können. Das haben Visionen so an sich. Visionen sind größer als wir. Um sie zu realisieren, müssen wir ein gewaltiges Stück über uns hinauswachsen. Das ist der Sinn der Sache: Evolution und Wachstum.

Schreiben Sie Ihre Vision einmal auf. Es kann sich für die eine Person um klare, detaillierte Sätze handeln, während andere Leser vielleicht nur einzelne Worte oder Stichpunkte zu Papier bringen. Schreiben Sie einfach einmal auf, was Ihnen spontan einfällt, egal ob Sie meinen, es sei eine „riesige“ Vision, oder ein „Visiönchen“.


Experiment 2: Gründe, die gegen Ihre Vision sprechen
Haben Sie Ihre Vision aufgeschrieben? Prima. Jetzt holen Sie Ihren Verstand aus dem Wartezimmer wieder ab. Diesmal lassen Sie die Augen offen. Der Verstand darf jetzt alle Gründe und Argumente liefern, die klar belegen, dass es definitiv NICHT möglich ist, Ihre Vision oder Ihren Traum umzusetzen. Schreiben Sie es jetzt auf.

Ist es nicht beeindruckend, wie viele Gründe Sie sofort parat haben? Als ich dieses Experiment machte, konnte ich so schnell gar nicht schreiben, wie mein Verstand mit Gründen aufwartete. Ein regelrechtes Maschinengewehr ratterte los. Die meisten Gründe, die uns der Verstand liefert, fallen in eine der folgenden 3 Hauptkategorien:
  1. Ich weiß nicht wie / das kann ich nicht.
  2. Die Umstände lassen das nicht zu (z. B. ich bin verheiratet, habe Kinder, einen Job, etc.).
  3. Was sollen denn die Leute denken (z. B. Familie, Freunde, Nachbarn, Kollegen, etc.)?
Hach, das sind aber auch alles absolut logische Gründe, an denen es nichts zu rütteln gibt, nicht wahr?

Die weniger gute Nachricht ist, dass die Liste, die Sie vor sich haben, einfach nur IHRE Geschichte ist, die Sie aufrecht erhalten, um Ihre Vision und damit Ihr Potenzial nicht zu leben. Alles, was Sie in Experiment 1 zu Ihrer Vision aufgeschrieben haben, können Sie nämlich erreichen, sonst wäre es Ihnen gar nicht in den Sinn gekommen. Es wäre nicht im Feld Ihres Vorstellungsvermögens, wenn es nicht Ihrem Potenzial entspräche.

Unser Ego (unsere Box) findet es jedoch viel bequemer, sich in sicheren Gefilden, einer gewohnten Umgebung, oder einer Komfortzone zu bewegen, als eine Vision zu verfolgen. Sicherheit und Überleben ist das oberste Ziel unserer Box. Eine Vision bringt Sie jedoch in immer neue Situationen, in denen Sie lernen, neue Erfahrungen machen und sich nicht unbedingt auf sicherem Terrain befinden. Eine Vision zu verfolgen, ist mitunter sehr intensiv. Davor hat unser Ego Angst. Um es noch klarer zu formulieren: Unser Ego hat Angst vor der Intensität, die entsteht, wenn wir unser Potenzial leben.

Lassen Sie das einmal sacken: Ihr Ego hat Angst vor der Intensität, die entsteht, wenn Sie Ihr Potenzial leben.

Das Ego ist deswegen unglaublich clever darin, eine etablierte Lebensgeschichte aufrecht zu erhalten. Wir sind große Geschichtenmacher. Wir kreieren unsere vertraute Geschichte von Sekunde zu Sekunde, indem wir unsere Gedanken immer wieder auf das Gleiche ausrichten und Meinungen, Glaubenssätze oder Erfahrungen aufrecht erhalten durch die Deklaration „Das IST so.“ Und wenn etwas nach unserer Meinung so IST, dann IST es damit auch unumstößlich. Lassen Sie uns noch einmal auf die 3 Hauptkategorien an Gründen zurück kommen, die Sie daran hindern, Ihre Vision zu verfolgen.

1. Ich weiß nicht wie/Ich kann das nicht.
Dachten Sie Dean Potter hätte von Anfang an gewusst, wie er schwierige Berge erklettert, ohne sich zu sichern? Dachten Sie Einstein hätte alles gewusst? Sie müssen nicht wissen, WIE etwas geht. Entscheidend ist Ihre VERPFLICHTUNG. Verpflichten Sie sich, Ihre Vision zu verfolgen, bevor Sie wissen wie es geht. Das WIE kommt dann ganz von selbst. Wie viele Menschen stecken fest, bevor sie überhaupt losgehen, weil sie nicht wissen, wie etwas geht? Da werden stunden-, wochen- oder monatelang Pläne geschmiedet und Bücher gewälzt, um mit dem Verstand herauszufinden wie etwas funktioniert, um dann im Moment des Starts festzustellen, dass die Bedingungen sich geändert haben. Haben Sie das schon einmal erlebt? Das ist ungefähr so, als hätten Sie monatelang eine tolle Reise genau geplant, stellten aber dann am 1. Tag der Reise fest, dass der Zubringer zur Autobahn gesperrt ist und blasen deswegen die ganze Reise ab. Entscheidend ist, dass Sie sich verpflichten, überhaupt loszugehen (im konkreten Fall, die Reise zu machen). Alle Herausforderungen, die es dann auf dem Weg gibt, werden Sie schon meistern, weil Sie von Ihrer Verpflichtung getragen werden. Zum Beispiel würden Sie im Fall des gesperrten Autobahnzubringers, die Karte oder das Navi zücken und schauen, wo Sie an anderer Stelle auf die Autobahn kommen. Und wer weiß, was Sie auf diesem alternativen Weg alles für tolle Dinge sehen würden, die Ihre Reise bereichern. Im Gegensatz zu dem, was uns in unserer Gesellschaft das ganze Leben lang eingetrichtert wird, nämlich im Vorfeld schon alles wissen zu müssen, lade ich Sie ein, den Satz „Ich weiß nicht wie / Ich kann das nicht“ ein für allemal den Abfluss hinunterzuspülen. Er blockiert Sie nur. Er blockiert Ihr ganzes Leben.

2. Die Umstände lassen es nicht zu, meine Vision zu leben.
Jaja, die Umstände…Wer, denken Sie, hat die Umstände in Ihrem Leben kreiert?...Na? „Natürlich DIE ANDEREN!“ höre ich da schon einige Stimmen.

Kommen Sie, es ist zwecklos, an dieser alten Geschichte festzuhalten. Sie ist zugegebenermaßen sehr bequem, denn wenn die anderen an meiner Situation Schuld sind, dann muss ich ja keine Verantwortung für mein Leben übernehmen. Doch damit stecken Sie in einem fiesen, klebrigen Abhängigkeitssumpf fest und machen andere für Ihr Glück und Wohlergehen verantwortlich. Damit sind Sie in der armen, kleinen Opferrolle (oder schnell auch in der Täterrolle) und agieren absolut unverantwortlich. Das einzige, was aus dieser Position heraus möglich ist, ist niederes Drama mit Rechtfertigungen, Schuldzuweisungen, Lamentieren, Beschwerden, Ausreden suchen, andere ins Unrecht setzen, etc. Doch damit erreichen Sie gar nichts, außer, dass das Leben an Ihnen vorüber zieht und Sie graue Haare kriegen.

Sie kennen die wahre Antwort auf die Frage, wer die Umstände in Ihrem Leben kreiert hat: Alles, was Sie in Ihrem Leben vorfinden, ist auf IHREM Mist gewachsen. Sie haben alles selbst kreiert. Die spannende Frage an der Stelle wäre: Warum? Welchen Nutzen ziehen Sie aus den verschiedenen Ereignissen, auch wenn es unangenehme Situationen sind und Ihr Chef Ihnen gerade gekündigt hat, Sie einen Unfall haben, oder der Partner wütend die Wohnung verlässt. Übernehmen Sie Verantwortung. Sie haben alles selbst kreiert. Es scheint unfair zu sein, doch genau das ist absolute Verantwortung, es gibt keine Hintertürchen. Damit holen Sie sich Ihre Kraft zurück und nehmen das Ruder Ihres Lebens wieder selbst in die Hand, anstatt im Opferdasein zu verkümmern. Sie können in jeder Sekunde entscheiden, welche Geschichte Sie erzählen. Die Opfergeschichte, oder die verantwortliche Geschichte. Alles was passiert, ist an sich neutral. Sie haben es einfach durch Ihre Gedankenmuster kreiert. Wenn Sie also etwas anderes in Ihrem Leben kreieren möchten, legen Sie los. Richten Sie Ihren Fokus neu aus, zum Beispiel auf Ihre Vision und übernehmen dafür Verantwortung.

Anstatt also zu dem sicherheitsbedachten Ego die Kraft zu geben, das sagt „Ich glaube es, weil ich es (die Umstände) sehe“ probieren Sie es doch einmal mit der Haltung „Ich sehe es, WEIL ICH ES GLAUBE.“ Denn das ist die Quintessenz: Alles, was Sie in Ihrem Leben vorfinden, ist das, was Sie - bewusst der unbewusst – glauben. Achten Sie also auf Ihre Gedanken- und Glaubensmuster.

3. Was sollen denn die Leute denken?
Das ist ein sehr beliebter Grund, den unser Verstand vorschiebt, um eine Vision, die vielleicht ungewöhnlich, riesig oder riskant erscheinen mag, nicht zu verfolgen. Unsere Angst davor, von anderen Menschen abgewiesen zu werden, die diese Vision nicht teilen, ist groß. Es ist die Angst, nicht dazu zu gehören. Und wer weiß, vielleicht passiert es tatsächlich, dass sich Menschen abwenden, wenn Sie anfangen, Ihre Vision zu leben. Dean Potter hat das erlebt und ich kenne einige Menschen, die Ihrer Vision gefolgt sind, denen es ebenso erging. Sogar ich selbst habe es erlebt. Aber mal ehrlich: Welchen Wert haben Beziehungen zu Personen, die Sie in Ihrem Sein, in Ihrer Art, mit Ihrem Potenzial und Ihrer Vision nicht akzeptieren? Es ist sogar oftmals so, dass sich Menschen nur abwenden, weil Sie Angst haben. Sie werden nämlich durch Sie an Ihre eigenen, nicht gelebten Visionen und Potenziale erinnert und möchten das auf jeden Fall vermeiden. Somit versuchen diese Menschen gerne, Sie klein zu halten und von Ihrer Vision abzubringen. Doch wenn jemand ein massives Problem damit hat, dass Sie Ihre Vision verfolgen, BITTE lassen Sie diese Person ihr Problem haben. Sie hat hart dafür gearbeitet, sich dieses Problem zu kreieren. Und der Witz ist, dass es noch nicht einmal wirklich etwas mit Ihrer Person zu tun hat. Sie sind in dem Moment einfach nur der Auslöser, der Spiegel für die Person, die ein Problem hat. Also lassen Sie sich von diesem Gedanken „Was sollen denn die Leute denken (vielleicht hat jemand ein Problem damit)?“ nicht abhalten.

Glauben Sie mir, wenn ich diesem Satz Kraft gegeben hätte, hätte ich viele Dinge in meinem Leben nicht gemacht: ich hätte z. B. nie einen 4800m hohen Berg bestiegen, wäre niemals nach Nepal gereist, wäre nicht im Dschungel gewesen und wäre heute auch nicht als Trainerin selbständig. Ehrlich, machen Sie das Problem anderer Menschen nicht zu Ihrem Problem und übernehmen Sie auch nicht die Ängste anderer Personen. Gehen Sie Ihren Weg und leben Sie Ihr Leben, nicht das Ihrer Eltern, Freunde, Nachbarn oder Kollegen, auch wenn Sie vielleicht Gegenwind bekommen. Die gute Nachricht ist übrigens: selbst, wenn sich der ein oder andere von Ihnen abwendet, werden Sie bald merken, das neue, bereichernde Personen in Ihr Leben treten, die von Ihrer Vision inspiriert sind und Sie unterstützen. Und es passiert, dass Personen, die sich zunächst vor lauter Schreck gegen Sie gestellt haben, nach einiger Zeit stillen Grübelns plötzlich um die Ecke kommen und wieder an Ihrer Seite sind. So wie Sie sich verändern, verändert sich auch Ihr Umfeld.

Experiment 3: Seien Sie Ihre Vision
Tja, nachdem nun alle Gründe auf Ihrer Liste hinfällig sind, stellt sich die Frage, was tun? Das Geheimnis ist, das Sie gar nichts TUN müssen. Entscheidend ist, dass Sie Ihre Vision SIND. Dazu ist es wichtig, ein klares Bild Ihrer realisierten Vision mit einem Gefühl zu verknüpfen. Das bedeutet, Sie verbinden sich innerlich nicht nur mit dem Bild der final realisierten Vision (sehen sie sozusagen vor sich), sondern auch mit dem Gefühl, das damit einhergeht. Achten Sie darauf, dass es sich um ein Gefühl der Freude, Begeisterung oder Ekstase handelt. Angst, Wut und Traurigkeit mit der Realisierung Ihrer Vision zu verbinden, wäre kontraproduktiv. Es geht darum, dass Sie Ihr Sein auf Ihre Vision einschwingen. Sie werden erstaunt sein, welche Resultate dies hat und wie viel mehr Energie und Inspiration Sie plötzlich in sich haben. Wiederholen Sie dies mindestens einmal die Woche. SEIN Sie Ihre Vision und beanspruchen Sie diese Realität. An dieser Stelle möchte ich Ihnen gerne ein Buch empfehlen, das sich im Detail damit beschäftigt. Es trägt den Title „Reality Creation Coaching für Fortgeschrittene“ von Frederick Dodson.

Dean Potter sagte in seinem Vortrag: „First you have a vision – then you make it happen”, zuerst haben Sie also die Vision bzw. sind die Vision und dann setzen Sie sie um.

An dieser Stelle habe ich den Eindruck, dass noch eine Frage in der Luft hängt, die einigen Lesern unter den Nägeln brennt: Was ist denn meine Vision?

Meine Vision ist es, eine neue Kultur zu kreieren, in der Menschen und Unternehmen in jeder Hinsicht respektvoll und nachhaltig miteinander und mit der Erde umgehen und ihr volles, individuelles Potenzial leben. Ist diese Vision größer als mein Ego oder mein Verstand? Himmel, ja, definitiv. Aber ich habe mich dieser Vision verpflichtet, weil sie mich inspiriert. Habe ich manchmal Angst vor dieser großen Vision? Ja, es gab gerade zu Beginn meines Visions-Weges Momente, da habe ich mich wahrscheinlich wie Dean Potter gefühlt, wenn er an nur zwei Fingern in der Eiger Nordwand hängt. Doch um es mit einem Zitat von Clinton Callahan, dem Begründer von Possibility Management, zu sagen: „Mut ist nicht das Ausbleiben von Angst. Mut ist die Entscheidung, dass etwas anderes wichtiger ist, als Angst.“

In diesem Sinne, wünsche ich Ihnen den Mut, Ihre Vision Realität werden zu lassen. SEIEN Sie VISIONÄR!

Herzlich inspirierte Grüße,
Ihre Nicola Nagel


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Sonntag, 16. Oktober 2011

Der Verstand ist ein Zoo - Wie uns Stimmen im Kopf manipulieren

Der Verstand ist ja schon brillant. Er produziert unaufhörlich Gedanken, kann komplexe Dinge analysieren und beleuchten oder gar logische Argumente in einer Diskussion liefern. Wir haben ihn all die Jahre wohl genährt: in der Schule, in der Uni, in der Ausbildung, im Job, durch zig Bücher, Zeitungen oder das Internet. Manchmal kann der Verstand aber auch zur echten Qual werden. Sie kennen das vielleicht: Sie liegen abends im Bett, sind eigentlich hundemüde, aber die Gedanken rasen unaufhörlich weiter. Oder Sie wollen eine Entscheidung treffen und hören in Ihrem Kopf permanent die Argumente für und wider.

Der Verstand rattert und rattert und rattert. Selbst wenn wir nicht aktiv mit jemandem sprechen, ist trotzdem oftmals eine Konversation im Kopf zugange. Es scheint als würde permanent eine Stimme plappern: „Mach dies so….Nein, tu das lieber nicht…Das kann ich nicht…Wie soll ich mich nur entscheiden…ob das wohl richtig war…ich bin überfordert…ja, da geht’s lang…was wäre, wenn… ich bin nicht gut genug…das kann man doch nicht machen, …etc.“ Die Stimmen reden, gehen noch einmal die Situation vorhin mit dem Partner durch oder kommentieren das, was der Chef heute Morgen gesagt hat. Sie werden vielleicht sagen „Nun ja, es sind einfach die Gedanken, die fortlaufend durch den Kopf schießen.“ Wie wäre es jedoch für Sie, wenn es Stimmen sind, die nicht Ihnen gehören und die nur die Absicht haben, Sie fortlaufend zu manipulieren?

Wie bitte? Stimmen, die nicht mir gehören? Richard David Precht, Philosoph, Publizist und Autor hat einen Buchtitel heraus gebracht, den ich an dieser Stelle gerne ausleihen möchte, denn der Titel fasst das heutige Thema genial zusammen: „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“

Sie werden womöglich die Frage stellen, ob es jetzt um Schizophrenie geht. Doch darum geht es keineswegs. Jeder Mensch hat verschiedene Identitäten, die er in bestimmten Situationen annimmt. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie unterhalten sich mit einem Bekannten. Das Telefon klingelt, er geht ran und sagt: „Hallo Mama,…“ Sie können genau beobachten, welche Stimme, Rolle und Haltung er einnimmt, während er mit seiner Mutter spricht. 5 Minuten später geht wieder das Telefon und es ist sein Geschäftspartner. Sie werden merken, wie er auf eine ganz andere Art und Weise mit ihm spricht. Die Tonlage, die Wortwahl, die Mimik und die Gestik werden eine andere sein. Wir können also verschiedene Identitäten annehmen, je nachdem, was die Situation erfordert.

Genauso, wie es diverse Rollen gibt, die wir einnehmen können, gibt es zahlreiche Stimmen, die uns im Leben unbewusst dirigieren. Wie viele von Ihnen kennen zum Beispiel eine Stimme, die gelegentlich sagt „Das kann ich nicht“ oder „Ich weiß nicht, wie ich das machen soll“? Na, seien Sie ehrlich. Fast jeder hat diese Stimme schon einmal gehört. Das kann sich auf ganz unterschiedliche Situationen beziehen, z. B. sollen sie eine Rede halten, ein Menü für 30 Personen kochen, das neue Großkundenprojekt übernehmen, ihrem Partner eine Grenze setzen oder auf eine Party gehen, wo sie keinen Menschen kennen.

Es gibt beliebig viele Beispiele, die wir hier auflisten könnten. Angenommen also Sie stehen vor einer Herausforderung, z. B. sollen Sie das erste Mal über eine Slack-Line laufen. Das ist dieses neuartige, trendige Band, das zwischen zwei Bäumen gespannt wird und über das Sie balancieren können. Was geht dann in Ihrem Kopf ab? Vielleicht sagt eine Stimme „Ich kann das nicht“, „So ein Quatsch.“ Vielleicht sagt auch eine Stimme „Okay, los geht’s“, oder aber „Oh, ich weiß nicht ob das gut geht. Ich könnte runterfallen und mich verletzen.“ Angenommen, sie wagen das Experiment balancieren zwei Schritte auf dem Seil, verlieren das Gleichgewicht und plumpsen auf den harten Boden. Was sagt der Verstand? Hören Sie z. B.: „Siehste, habe ich doch gleich gesagt, dass das eine Schnapsidee ist“ oder „Oh, das war wohl nichts. Los, gleich noch einmal probieren.“

Es gibt nicht nur eine Stimme, die in unserem Kopf rumspukt. Es gibt eine ganze Stimmenkultur. Der Verstand ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Zoo und die Konversationen dieser Stimmen sind sehr unterhaltsam. Da können Sie jedes Kabarett und jede Comedy Sendung im Fernsehen vergessen. Die Comedy im Kopf ist spannender als Kino. Es ist sehr nützlich, sich der Hauptcharaktere in Ihrem Kopf bewusst zu werden, denn noch einmal: es sind Stimmen, die nicht Ihnen gehören und die Sie entweder blockieren oder manipulieren können.

Lassen Sie mich ein persönliches Beispiel geben: Bei mir gibt es neben diversen Nebendarstellern, 4 Haupt-Stimmen, die sich gerne einmischen. Die erste Stimme habe ich Püppi getauft. Püppi ist die Stimme vom kleinen, schüchternen Mädchen, das sagt: „Ich weiß nicht, ob ich das kann. Das lass ich lieber. Das ist vielleicht keine gute Idee.“ Als zweites gibt es Lola. Lola ist der derbe Charakter, der immer noch in die Kerbe von Püppi reinhaut: „Wie soll das auch funktionieren. So ein Quatsch. Habe ich Dir doch gleich gesagt, dass das nicht funktioniert. Das wird nie was.“ Die 3. Stimme gehört Goofy (sie kennen vielleicht noch diesen tolpatschigen, schläfrigen Hund aus der Mickey Maus Zeit). Goofey ist ein bißchen träge und sagt manchmal: „Och nööö, lass uns das später machen. Ich mag jetzt nicht.“ Schließlich gibt es noch eine 4. Stimme ganz anderer Ausrichtung. Diese Stimme habe ich Rickie getauft. Rickie ist die Stimme einer robusten Antreiberin, die alles andere als aus Zucker ist. Wenn Rickie die Bühne betritt, können Püppi, Lola und Goofy sich warm einpacken, denn Rickie sagt in etwa folgendes: „Püppi, Lola, Goofy Klappe halten. Nicola, beweg Dich uns zwar pronto“.

Die Stimmen sind sehr vielfältig und es ist sehr lohnenswert, sich bewusst zu machen, welche Stimme gerade aktiv ist. Ich möchte Sie daher zu folgendem Experiment einladen:

EXPERIMENT 1: Welche Stimmen sind aktiv und wem gehören sie?
Setzen Sie sich einen Moment ruhig hin. Beobachten Sie nun bewusst Ihren Verstand. Welche Stimmen kommen jetzt gerade auf, während Sie z. B. so da sitzen und nichts tun? Was sagen die? Der ein oder andere mag jetzt sagen „Ich höre keine Stimmen.“ In dem Fall lade ich Sie ein, einfach einmal simpel an die Wand zu starren. Wenn Sie das tun, wird schon die erste Stimme fragen: „So ein Quatsch, warum soll ich jetzt an die Wand starren?“ Sie können auch Situationen vom Tag Revue passieren lassen. Die Diskussion mit dem Kollegen, den Streit mit dem Partner, das nette Gespräch mit dem Chef. Achten Sie einfach einmal bewusst darauf, welche Gedanken dazu hochkommen und welche Stimmen diese Situationen kommentieren.

Identifizieren Sie im zweiten Schritt diese Stimmen. Wem gehören Sie? Gehört die Stimme einer Autoritätsperson, einem Elternteil, Lehrer, Chef, der genau das immer gesagt hat? Gehört die Stimme eher einem kleinen bedürftigen Kind? Sie können auch Charaktere aus der Geschichte oder aus Film und Fernsehen nehmen. Wem gehört die Stimme? Geben Sie jeder markanten Stimme einen konkreten Namen, z. B. „Das hat mein Vater Otto immer zu mir gesagt, diese Stimme heißt Otto.“ Oder „Diese Stimme erinnert mich an einen patzigen, kleinen Jungen, der nur Unfug im Kopf hatte, ich nenne ihn Suppenkasper.“ Seien Sie ehrlich und konkret. Vielleicht gibt es auch eine Stimme, die arrogant von oben herab redet und Sie an einen Schulkollegen erinnert, der Sie regelmäßig gepiesackt hat. Vergeben Sie wirklich konkrete Namen. Dadurch haben Sie die Möglichkeit, jede Stimme, sobald sie auftaucht, genau zu identifizieren. Jede Stimme stellt ein ICH dar.

EXPERIMENT 2: Welches ICH spricht gerade?
Wenn Sie sich das nächste Mal in einer Situation befinden, in der Sie etwas bewerten („Wie kann man nur so handeln. Der Kollege hat wohl nicht alle Tassen im Schrank) oder zögern, weil Sie meinen, Sie könnten etwas nicht („Ich kann das nicht. Ich bin nicht gut genug. Das wird nie was.“), oder auch wenn Sie sich nicht entscheiden können und diverse Stimmen in Ihrem Kopf eine Argumentation für und wider etwas starten, dann sagen Sie in dem Moment einmal STOP! Halten Sie inne und fragen Sie sich, welches ICH gerade am Steuer sitzt. Ist es eine ängstliche, weinerliche Kinderstimme, die Sie manipuliert und Ihrer Kraft beraubt? Oder ist es vielleicht die Stimme einer Autorität, die Ihnen sagt, dass es eine absolute Schnapsidee ist, Ihrer Freude zu folgen und eine verrückte Unternehmung zu machen? Was immer es auch für eine Stimme sein mag, werden Sie sich Ihres Zoos bewusst. Werden Sie sich der Stimmen bewusst, die Sie manipulieren. Es sind nicht Ihre Stimmen und mit diesen Stimmen im Kopf haben Sie keine Kraft.

„AHA!“ werden jetzt einige Leser denken. „Und was mache ich nun, wenn diese Stimmen da sind und nicht aufhören zu plappern?“ Eine berechtigte Frage, die mich gleich zum nächsten Experiment bringt.

EXPERIMENT 3: Benutzen Sie Ihren Stimmen-Colt
Für dieses Experiment brauchen Sie Ihre Vorstellungskraft. Idealerweise machen Sie dieses Experiment im ersten Schritt für sich in einem Raum, wo keine anderen Menschen sind. Es könnte für andere nämlich ziemlich verrückt aussehen, da Sie in diesem Experiment die Stimmen, die permanent in Ihrem Kopf quasseln, mit einem sogenannten STIMMEN-COLT abschießen werden. Stellen Sie sich vor, sie haben einen imaginären Werkzeuggürtel mit allerlei Utensilien um Ihre Hüfte hängen. An diesem Gürtel befindet sich rechts hinten, in Höhe der rechten Pobacke ein imaginärer Revolver. Greifen Sie nun einmal nach hinten und ziehen Sie ihn langsam aus dem Halfter. Halten Sie ihn vor sich und schauen Sie sich Ihren ganz persönlichen Stimmen-Colt an. Wie sieht er aus?

Los, machen Sie sich diesen Spaß. Wir sind in unserer Gesellschaft so von Normen, Regeln und Vorgaben eingeengt, dass wir in Momenten, in denen wir etwas machen sollen, was wir normalerweise nicht tun, denken „So ein Quatsch!“. Wenn Sie diesen Satz, diese Stimme jetzt gerade in Ihrem Verstand hören, ziehen Sie sofort Ihren Stimmen-Colt, richten ihn in die Luft auf die Stimme und knallen sie mit dem Wort „PENG!“ ab. Es ist ein Spaß, ehrlich und es funktioniert auch noch. Probieren Sie das einmal.

Wir waren also dabei, wie Ihr Colt aussieht. Welche Farbe hat er? Wie groß ist er? Aus welchem Material ist er? Wie sieht der Griff aus? Ist er aus dem gleichen Material, wie der Lauf oder vielleicht aus Holz? Haben Sie Ihren Colt ganz klar vor Augen? Prima. Achten Sie darauf, dass er nicht die Größe eines Gewehrs hat, denn das ist etwas hinderlich mitzuschleppen. Er sollte von der Größe her so sein, dass Sie ihn immer schnell ziehen können, jederzeit.

Jedes Mal, wenn Sie also Stimmen (Gedanken) in Ihrem Kopf haben, die Sie an etwas hindern, Sie zögern lassen, Sie runterziehen, Sie rum-eiern und keine Entscheidung fällen lassen, Dinge hinaus zögern, oder ähnliches, ziehen Sie sofort Ihren Stimmen-Colt. PENG! Die Stimmen kommen oftmals auch in sehr kurzen Abständen hintereinander, dann schießen Sie sie einfach hintereinander ab PENG! PENG! PENG! Und machen Sie für’s erste wirklich die Bewegung und das Geräusch: Colt ziehen, die Hand in die Luft strecken und auf die Stimme zielen, PENG!. Vergessen Sie danach nicht, den Rauch aus dem Revolver-Lauf kurz wegzublasen und den Colt wieder in den Halfter zu stecken.

Sie können auch bewusst einmal 5 Minuten durch Ihre Wohnung oder Ihr Haus laufen und die einzelnen Stimme im Verstand wahrnehmen, jedes Mal innehalten, sie abschießen und dann wieder weiterlaufen. Das kann sich z. B. folgendermaßen anhören: „Oh man, wie sieht’s denn hier aus? PENG! Das Bild hängt schief. PENG! Du müsstest echt mal wieder saubermachen. PENG! Die Rechnung auf dem Schreibtisch ist immer noch nicht bezahlt. PENG!...“

Das Tolle ist, Sie haben eine unbegrenzte Anzahl an Kugeln in dem Stimmen-Colt. Sie brauchen also nicht sparsam sein, wenn Sie Stimmen abschießen und Sie müssen sich auch keine Gedanken über das Nachladen machen. Achten Sie wirklich einmal auf all die Stimmen in Ihrem Verstand. Welche Stimme sagt Ihnen genau was? Wem gehört die Stimme? Wer hat das in der Vergangenheit oft zu Ihnen gesagt, sodass sich diese Stimme in Ihrem Verstand einnisten konnte?

Die Sache ist die: Wenn Sie fortlaufend Stimmen hören und im Kopf Diskussionen führen, dann sind Sie nicht wirklich im JETZT präsent. Stimmen und Geschichten passieren auf einer Zeitlinie, also entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Sie passieren nicht im JETZT, in diesem Augenblick. Wenn Sie also eine herrliche Konversation im Verstand führen, dann denken Sie entweder über etwas nach, dass schon passiert ist, also in der Vergangenheit liegt, oder über etwas, das in der Zukunft liegt. Wenn Sie zum Beispiel heute schon eine Konversation im Verstand durchgehen, die Sie morgen real mit Ihrem Kollegen in der Arbeit führen wollen, dann sind Sie nicht im JETZT präsent. Sie leben in der Zukunft oder in der Vergangenheit und da haben Sie keine Kraft. Sie können nicht verändern, was vor 3 Sekunden passiert ist und auch nicht, was in 3 Sekunden sein wird, weil es noch nicht da ist.

Wenn Sie wirklich im JETZT präsent und damit in Ihrer Kraft sind, dann hören Sie keine Stimmen, sondern können sich bewusst und zentriert bewegen und als Erwachsener so agieren, wie es die Situation erfordert. Es kann übrigens sein, dass einige Stimmen in Ihrem Verstand immer wiederkehren, obwohl Sie diese bereits abgeschossen haben. Lassen Sie sich davon nicht irritieren. Wenn uns über viele Jahre von verschiedenen Autoritätspersonen immer wieder Kommentare oder Sätze eingetrichtert wurden, dann können diese Stimmen sehr hartnäckig sein. Schießen Sie sie einfach erneut ab. PENG! Mit der Zeit werden die Stimmen weniger oder verschwinden.

Sie können das Stimmenspiel auch ausweiten. Wenn Sie z. B. das Menü für 30 Personen kochen sollen und Sie hören z. B. eine Stimme „Oh je, ich weiß nicht, wie. Ich kann das nicht.“, dann schießen Sie die Stimme zu nächst ab. PENG! Stellen Sie sich anschließend die Frage:“ „Wer könnte es?“ Dann kommen Sie vielleicht auf Alfons Schuhbeck. Stellen Sie sich dann die Frage: „Was würde Alfons Schuhbeck jetzt sagen oder tun?“ Wechseln Sie dann einfach für die Zeit des Menü-Kochens die Identität. Sie werden erstaunt sein, welche neuen Möglichkeiten sich plötzlich auftun.

Ich lege Ihnen sehr ans Herz, Ihren Stimmen-Colt regelmäßig zu benutzen. Legen Sie ihn niemals zur Seite, sondern haben Sie ihn jederzeit griffbereit, damit Sie alle Stimmen, die Sie manipulieren und runterziehen wollen, gleich ins Jenseits befördern können.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine experimentierfreudige Zeit.

Beste Grüße,
Ihre Nicola Nagel

Nicola Nagel ist Possibility Management Trainerin aus Berufung und bietet außergewöhnliche Trainings an, in denen die Teilnehmer in einem geschützten Raum nachhaltig ihr Potenzial entfalten können.

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