Heutzutage arbeiten mehr Menschen in
bürokratischen Organisationen als je zuvor. Zwischen 1983 und 2014 wuchs die
Anzahl der Manager, Leiter und anderen Angestellten in gehobenen Positionen in
den USA um 90%. Ein vergleichbarer Trend ist in Europa zu sehen (Quelle: G.
Hamel & M. Zanini). Es scheint, als ginge es darum, die Arbeitswelt durch
Bürokratie mehr und mehr zu strukturieren und zu kontrollieren. Obwohl zahlreiche
Geschäftsführer und Vorstände die gängige Bürokratie mittlerweile anprangern,
gibt es gleichzeitig nur wenige, die Erfolge darin haben, sie zu verändern. Die
verneinenden Kräfte, die Veränderungen sehr schnell wieder rückgängig machen
möchten, sind groß. Fragen wie beispielsweise „Wie soll denn das ohne
Bürokratie gehen?“ sind gängig.
Gary Hamel (www.garyhamel.com) hat es in seinem Artikel
„Mehr von uns arbeiten in bürokratischen Organisationen als je zuvor“ auf den
Punkt gebracht: „Man könnte
argumentieren, dass in einer Welt, die sich durch steigende Komplexität
auszeichnet, die Bürokratie unausweichlich ist. Wer, wenn nicht leitende
Angestellte, sollte sonst all diese ärgerlichen, neuen Themen wie Globalisierung,
Digitalisierung und soziale Verantwortung adressieren? Wer sonst sollte all die
neuen Einhaltungs-Auflagen in Bezug auf die Themen Diversität, Risiko-Minderung
und Nachhaltigkeit erfüllen? Diese Denkweise hat einen Schwall neuer C-Level
Rollen hervorgebracht: Chief Analytics Officer, Chief Collaboration Officer,
Chief Customer Officer, Chief Digital Officer, Chief Ethics Officer, Chief
Learning Officer, Chief Sustainability Officer und sogar Chief
Happiness Officer (Anmerkung der Autorin: im Deutschen
entspräche das den L-Rollen: Leiter Analytik, Leiter Kollaboration, Leiter
Kunden, Leiter Digitalisierung, Leiter Ethik, Leiter Weiterbildung, Leiter
Nachhaltigkeit und sogar Leiter für Glück am Arbeitsplatz). Und noch nüchterner betrachtet: wer – wenn
nicht Manager – sollte die Alltagsarbeit machen wie planen, priorisieren,
zuteilen, überprüfen, koordinieren, kontrollieren, disponieren und vergüten?
Trotzdem zeigt unsere Forschung, dass
Bürokratie nicht unausweichlich ist; es ist nicht der unvermeidbare Preis, um Business
in einer komplizierten Welt zu betreiben. Es ist vielmehr ein Krebs, der die
ökonomische Produktivität und organisatorische Widerstandskraft auffrisst.“
Doch was bedeutet organisatorische
Widerstandskraft? Im New Work Kontext bedeutet es, das ein Unternehmen mittel-
und langfristig in dem Maße Bestand hat, wie seine Mitarbeiter als ein
lebendiger Organismus.
Organisatorische
Widerstandskraft im neuen Sinne
Drei wichtige Bestandteile von
organisatorischer Widerstandskraft im neuen Sinne sind Gesundheit und
Inspiration der Mitarbeiter und damit einhergehend das Thema der bewussten Gefühle.
Doch an diesen Aspekten hapert es ganz massiv in der Unternehmenswelt. Zwar
gibt es in Firmen Gesundheitsprogramme, Sportangebote, Grün-Oasen und sonstige
Entspannungsangebote, doch trotzdem können die wenigsten Mitarbeiter sagen,
dass ihr Job sie wirklich erfüllt. Sie sind nicht in ihren verschiedenen Körpern genährt. Was bedeutet das?
Es können vier Körper unterschieden
werden (in einigen Lehren gibt es sogar noch mehr): physischer Körper,
intellektueller Körper, emotionaler Körper und energetischer Körper (siehe
Abbildung). Der physische Körper ist allgemein bekannt. Er besteht aus Knochen,
Muskeln, Nerven und hat Sinnesorgane. Unter dem intellektuellen Körper versteht
man den Verstand mit seinen Gedanken, Ideen und Meinungen. Der emotionale
Körper umfasst das emotionale Herz mit Gefühlen. Der vierte Körper ist der
sogenannte energetische Körper, der das Sein beinhaltet. Das Sein hat Präsenz,
Vision, Bestimmung, Inspiration.
Möglicherweise haben Sie bereits beim
Lesen festgestellt, dass Ihnen zwei der genannten Körper – der physische und
intellektuelle Körper - bekannt sind, während die zwei anderen – der emotionale
und energetische Körper - eher unbekannt sind.
Intellektueller
Körper im Business Kontext
In der modernen, bürokratischen und
auf Leistung ausgerichteten Gesellschaft wird der intellektuelle Körper
besonders genährt. Wissen wird fortlaufend in der Schule, im Studium und im Job
vermittelt und ist zudem Dank des Internets und der Medien auch jederzeit
verfügbar. Wissen ist Macht, heißt ein
Sprichwort. Wer viel weiß und große fachliche Kompetenz hat, kommt weit, so die
Devise. Die Problematik dabei ist, dass der Großteil der Mitarbeiter in Firmen,
sich maßgeblich mit ihrem Verstand identifiziert, denn nach wie vor stehen in
bürokratischen Unternehmen die Umsatzzahlen im Vordergrund. Es wird analysiert,
logisch geschlussfolgert, gerechnet und viel Zeit für logische Problemlösungen
aufgebracht. Es geht darum, Zusammenhänge zu verstehen, zu strukturieren,
Prozessabläufe zu optimieren und Ziele zu erreichen, sodass letztendlich die
geforderten Umsatzzahlen erreicht werden. Der intellektuelle Körper wird in der
Arbeitswelt genährt durch diskutieren, Angebote schreiben, ein Meeting
abhalten, planen, Strategien ausarbeiten, entwerfen, Kurse oder Workshops
besuchen, an Konferenzen teilnehmen, eine Firma oder Abteilung führen, etc.
Dieser Körper ist bei den meisten Mitarbeitern somit mehr als ausreichend
genährt.
Physischer
Körper im Business Kontext
Der physische Körper wird ebenfalls
bis zu einem gewissen Grad genährt, in der Regel jedoch eher in der Freizeit,
als im Job. Nahrung für den physischen Körper ist beispielsweise Bewegung,
Sport, nahrhaftes Essen und Erholung in Form von ausreichend Schlaf und Urlaub.
Im Job wird es mit diesen Komponenten jedoch bereits herausfordernd. Das fängt
bereits beim Essen an. Viele Mitarbeiter stehen so unter Leistungsdruck, dass
sie sich wenig bis gar keine Zeit für Pausen nehmen und beim Essen eher auf
oftmals ungesundes und wenig schmackhaftes Kantinenessen zurück greifen oder
auf den Fast Food Stand nebenan. Auch an der Bewegung mangelt es massiv. 8-12
Stunden im Büro und in Besprechungen zu sitzen, ist alles andere als zuträglich
für den physischen Körper. Zwar stellen einige Unternehmen Fitness-Räume zur
Verfügung oder bieten finanzielle Boni für Sportkurse in der Freizeit an, doch
es ist eher ein geringer Anteil an Mitarbeitern, die das tatsächlich nutzen.
Die meisten kommen eher müde und erschöpft aus dem Büro und haben wenig Lust
sich dann noch aufzuraffen und zu sporteln.
Erholung, Auszeiten und Entspannung
sind jedoch entscheidend. Inspiration und Kreativität können nur entstehen,
wenn Geist und Körper sich erholen dürfen. Gerade das ist jedoch ein Thema, das
in der gewöhnlichen Arbeitswelt zu kurz kommt. Wo Leistung und Zahlen im Vordergrund
stehen, ist Erholung nur möglich, wenn es in den Terminkalender passt und dann
in der Regel auch nicht länger als 2 Wochen. In dieser kurzen Urlaubszeit haben
die meisten Schwierigkeiten, sich tatsächlich zu erholen, zumal oftmals noch
die unausgesprochene Erwartung auf ihnen lastet, trotzdem für die Kollegen oder
den Chef erreichbar zu sein, falls etwas Dringendes geklärt werden muss.
Emotionaler
Körper im Business Kontext
Der emotionale Körper wird im
Arbeitsumfeld – und der modernen Gesellschaft grundsätzlich - so gut wie gar
nicht genährt. Nahrung für den emotionalen Körper bedeutet, Gefühle authentisch
und verantwortlich auszudrücken und zu nutzen, sowie Offenheit,
Verletzlichkeit, Mitgefühl und Zuhören ohne Diskussion zu praktizieren. Gerade das
Thema Gefühle ist jedoch in der Business Welt ein absolutes Tabu, denn die
Haltung der modernen Gesellschaft in Bezug auf Gefühle basiert auf der Annahme,
dass Gefühle nicht okay sind. Wer Gefühle im Job zeigt, gilt als schwach,
unprofessionell und nicht resilient. Insgesamt gibt es vier große
Gefühlsterritorien, die unterschieden werden können: Wut, Traurigkeit, Angst
und Freude. Es gibt noch weitere Begriffe für Gefühle, die jedoch häufig zu
einem der großen Territorien gehören (z. B. gehört Nervosität in das
Territorium der Angst, während Groll in
das Territorium der Wut gehört) oder aber eine Vermischung von Gefühlen
darstellen.
Unter der Annahme, dass Gefühle nicht
okay sind, ist es somit nicht verwunderlich, dass die meisten Menschen
vermeintliche Resilienz beweisen, indem sie die Gefühle irgendwie unterdrücken,
runterschlucken und betäuben. Doch anstatt tatsächlicher Resilienz, also
Widerstandskraft gegen Stress, werden sie immer schwächer, landen im Burnout
oder haben andere psychosomatische Krankheiten (ziehen Sie einmal in Betracht,
dass diese Krankheiten eine Vermischung von unbewussten, unausgedrückten
Gefühlen über einen sehr langen Zeitraum sein können). Resilienz bedeutet in
unserer Gesellschaft und Business Welt, die Taubheitsschwelle (also die
Schwelle bei der Sie ein Gefühl überhaupt als solches wahrnehmen) möglichst
hoch zu halten, beispielsweise durch Essen, Fernsehen, exzessiven Sport,
Internet, Social Media, Shoppen, Alkohol, Zigaretten und sonstige Drogen.
Gefühle, die jedoch nur betäubt werden und keinen bewussten Ausdruck finden,
schlagen sich langfristig auf die Gesundheit nieder.
Eine neue Sichtweise in Bezug auf
Gefühle basiert hingegen auf der Annahme, dass Gefühle neutrale Energie und
Information sind, die Ihnen dienen, sowohl im Job, als auch privat. Sie sind
wie ein inneres Navigationssystem, dass Sie zielsicher durchs Leben leitet.
Energetischer
Körper im Business Kontext
Der vierte Körper ist der sogenannte
energetische Körper. Wenn Sie nicht gerade Yoga oder Meditation ausüben, wird dieser
wahrscheinlich das größte Rätsel sein. Der energetische Körper ist schwer
greifbar und nicht logisch erklärbar, denn er umfasst das Sein, das Präsenz
hat. Im gewöhnlichen Arbeitsumfeld ist der energetische Körper – genau wie der
emotionale Körper – in der Regel ausgeklammert. Allein das Wort energetisch wird schnell als
esoterischer Quatsch abgetan. Doch dieser Körper ist sehr entscheidend im Sinne
einer neuen Art des Arbeitens. Das Sein hat nicht nur Präsenz hat, sondern ist
vor allem die Quelle von Inspiration und Vision. Dass dieser Körper in der
modernen Gesellschaft und gewöhnlichen Business Welt unterdrückt wird, ist
dabei nicht verwunderlich. Mitarbeiter, deren energetischer Körper regelmäßig
genährt wird, werden sich früher oder später gegen verkrustete Strukturen, die
Evolution entgegenstehen, wehren und das wird von Managern, die großen Nutzen
aus den bürokratischen Strukturen ziehen, alles andere als befürwortet.
Mitarbeiter, die präsent sind und ihrer Inspiration folgen, sind nicht mehr
manipulierbar.
Der energetische Körper wird genährt
durch Evolution, Kreativität, transformatorische Prozesse, Entwicklung,
aufrichtige Teamarbeit, Gemeinschaft, Wertschätzung der individuellen
Seins-Qualitäten (im Gegensatz zu manipulierendem Lob) und dadurch, etwas
Größerem zu dienen und seine Bestimmung in Aktion zu sein.
Die
Antwort auf die Frage WIE? lautet JA!
Und was nun? Wie soll es in
Unternehmen bewerkstelligt werden, dass alle vier Körper der Mitarbeiter
genährt werden? Genau das ist so eine klassische Frage und es wäre ein leichtes
zu sagen „Das geht nicht! Das ist Träumerei!“
Wie Gary Hamel sagt: „Es gibt keinen gut etablierten Weg, um eine
post-bürokratische Organisation aufzubauen. Bürokratie einzudrücken erfordert
Finesse, nicht brutale Gewalt. Wenn Sie die bürokratische Bremse in Ihrer Firma
reduzieren wollen, werden Sie einen Veränderungs-Ansatz benötigen, der
aufstrebend, kollaborativ, iterativ und klug ist. Der Schlüssel: revolutionäre
Ziele und evolutionäre Wege.“
Somit kann die Antwort auf die Frage
„Wie soll es gehen?“ nur lauten: „JA!“ Es geht nicht zuerst um das WIE. Wenn
Sie das Wie als erstes beantwortet haben wollen, dann stehen Sie in 5 Jahren
immer noch genau an dem gleichen Punkt. Sie planen, forschen, analysieren und
schätzen alle Eventualitäten ab, um Sicherheit zu haben, wie es geht, anstatt
loszugehen und es auszuprobieren. Bei einer neuen Art des Arbeitens und dem
Etablieren von post-bürokratischen Vorgehen, steht jedoch die Verpflichtung als
erstes im Vordergrund. Ziehen Sie einmal in Betracht, dass sich neue
Möglichkeiten und Gestaltungsoptionen auftun, sobald Sie sich klar für einen
neuen Weg entschieden haben. Das ist ein universelles Gesetz. Die Entscheidung
und Verpflichtung kommt zuerst. Sie müssen nicht wissen, wie es geht (auch das
mag sich für manche Manager wie ein apokalyptischer Albtraum anhören). Im
Nichtwissen stehen zu können und auf dem neuen Weg durch permanentes Feedback
und Coaching von Kollegen, dem Umfeld, etc. einen Schritt nach dem anderen zu
machen, ist Teil einer großen Kompetenz im Rahmen von New Work.
Sind Sie bereit ein Unternehmen mit zu
gestalten, in dem die Mitarbeiter in allen 4 Körpern genährt sind und entspannt
mit Inspiration und Leichtigkeit agieren?
Herzliche Grüße,
Nicola Nagel
Tipp: Mehr zum Thema „New Work“ finden Sie im
Buch „Edgeworker: Leadership war gestern – Es ist Zeit für die
Führungs-(R)Evolution!“ von Nicola Nagel und Patrizia Servidio. Details zur
Kraft der Gefühle und ihrem großartigen Nutzen finden Sie darüber hinaus im
Buch „Die Kraft des bewussten Fühlens“ von Clinton Callahan.
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