Ein Thema, das in Unternehmen immer
wieder auftaucht, ist die Motivation von Mitarbeitern und die Frage, wie die
Motivation aufrecht erhalten bzw. gesteigert werden kann. Eine wesentlich
gefährlichere Frage ist jedoch, was Motivation und Leistungs-bereitschaft von
Mitarbeitern gefährdet bzw. zerstört. Die Faktoren sind sicherlich vielfältig.
Ein entscheidender Faktor sind jedoch Regeln und ganze Regelwerke.
In vielen Unternehmen ist es Gang und
Gäbe, Regeln aufzusetzen, um einen vermeintlich reibungslosen Ablauf zu
gewährleisten. Es wird versucht, durch Regeln eine gewisse Struktur aufzubauen.
Tatsächlich sind Regeln jedoch einer der Hauptfaktoren, der die Motivation von
Mitarbeitern beeinträchtigt, denn Regeln versuchen, ein bestimmtes Verhalten
oder eine Verhaltensänderungen zu erzwingen. Dabei werden Regeln meist durch
die Geschäftsführung selbst oder aber Personen höherer Hierarchiestufen
festgesetzt. Entsprechend der Hierarchiestufe wird der aufoktroyierten Regel
dann Gewicht beigemessen. Lautet die Antwort auf die Frage „Wer hat die Regel
denn jetzt erfunden“ klipp und klar „Der Chef“, so ist recht schnell Schweigen
im Walde. Regeln funktionieren meist über hierarchischen Druck, was nichts
anderes ist, als Manipulation der Mitarbeiter durch das Erzeugen subtiler
Angst. Sobald Regeln „von oben“ vorgegeben werden, verfallen zahlreiche
Mitarbeiter entweder in eine Art „Kaninchen-Schockstarre“ und befolgen
mechanisch die Regeln aus Angst, sonst in eine Konfliktsituation zu geraten.
Oder aber sie geben komplett ihre eigene Autorität und Kraft an den/die
Vorgesetzten ab und entwickeln eine Art Gleichgültigkeit getreu dem Motto „Da
kann man ja eh nichts machen. Also machen wir den Mist jetzt halt.“ Dieser Art
Gleichgültigkeit liegt unbewusste Wut zugrunde, welche sich über die Zeit
hinweg in beständigen Groll verwandelt. Was beide Fälle gemein haben, ist die
Tatsache, dass sich die Mitarbeiter komplett angepasst verhalten.
Regeln erzeugen oftmals Widerstand
und killen damit Motivation. Regeln sind starr und unflexibel. Sie lassen
keinerlei Abweichungen zu. Sie haben stattdessen eine ähnliche Energie wie
Gesetze, die unumstößlich sind und holen die Mitarbeiter nicht ab. Das liegt
vor allem daran, dass Regeln ausschließlich den Intellekt adressieren. Logische
(oder auch nicht logische) Worte werden zu einer Regel geformt, die es zu
befolgen gilt. Entweder die Mitarbeiter verstehen die Regel intellektuell oder nicht.
Versteht eine Person eine Regel nicht, ist eine gängige Aussage „Müssen Sie
auch nicht. Halten Sie sich einfach dran.“
Regeln geben vor, wie etwas zu sein
hat oder sich Mitarbeiter zu verhalten haben. Hinter der vorgehaltenen Hand
erfolgt der Zusatz „Stellen Sie die Regeln bloß nicht in Frage.“
Wer Regeln bestimmen kann, hat also
Macht. Fakt ist, das Regeln alles andere als förderlich für die Motivation von
Mitarbeitern sind. Doch welche andere Möglichkeit gäbe es, Mitarbeiter zu
bewegen, ein bestimmtes Verhalten an den Tag zu legen?
Eine Möglichkeit ist, den
Mitarbeitern stattdessen Unterscheidungen zu geben. Eine Unterscheidung teilt
eine Masse von Dingen in verschiedene Kategorien. Was bedeutet das konkret.
Wenn Sie beispielsweise „Geräusche“ als Masse nehmen, dann machen Sie an einem
bestimmten Punkt die Erfahrung, dass es unterschiedliche Geräusche gibt,
nämlich beispielsweise Autolärm, Stimmen, Naturgeräusche, Musik, etc. Damit
haben Sie eine Unterscheidung. Nehmen Sie als nächstes die Kategorie der Musik,
so erleben Sie weiter, dass es Rock, Pop, Klassik, etc. gibt. Bei der Klassik
stellen Sie im weiteren Verlauf möglicherweise fest, dass es Klaviermusik,
Violinenmusik, Musicals, Opern, Operetten, etc. gibt. Gehen Sie weiter, so
hören Sie eines Tages, dass es bei der Klaviermusik Unterschiede zwischen
Mozart, Beethoven, Schubert und weiteren Komponisten gibt und so weiter. Durch
mehr und mehr Unterscheidungen können Sie also immer feiner Details wahrnehmen.
Im Gegensatz zu Regeln, sind Unterscheidungen
erfahrbar. Das bedeutet, sie adressieren nicht nur den Intellekt, sondern
landen vollständig in Ihrem Körper, sodass Sie anschließend einen neuen inneren
Referenzpunkt haben. Ein entscheidender Unterschied ist darüber hinaus, dass
Unterscheidungen sogenannte Matrix aufbauen. Matrix ist die energetische
Struktur, an dem Bewusstsein wachsen kann. Das Beispiel von Kletterrosen bietet
hier einen passenden Vergleich. Hätten die Rosen kein Gitter, an dem sie
hochwachsen könnten, würden diese lediglich ärmlich am Boden herumkriechen.
Durch das Gitter können Sie jedoch in ihrer vollen Kraft und Blüte erstrahlen.
Unterscheidungen sorgen dafür, dass solch ein energetisches Gitter – Matrix
genannt - in einem Menschen aufgebaut wird und die Person mehr und mehr
Bewusstsein halten kann. Steigt das Bewusstsein, wird automatisch anderes
Verhalten möglich. Die Verhaltensänderung entsteht in diesem Fall aus eigenem, inneren Antrieb und der
Erfahrung, dass etwas anderes besser funktioniert als das Gewöhnliche.
Hier ein Beispiel:
Angenommen in einer Firma sei
aufgefallen, dass einige Mitarbeiter in der Produktion wiederholt während der
Arbeitszeit mit dem Handy privat telefonieren und die Geschäftsführung dies
unterbinden möchte. Aus der Hierarchie heraus wäre es ein leichtes, die Regel
zu erlassen, dass ab sofort Handyverbot während der Arbeitszeit herrscht. Bei
Missachtung ist mit personalrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Knall-bumm.
Fertig. Keine Diskussion. Nur was macht das mit den Mitarbeitern? Vor allem mit
jenen, die bisher nur in dringenden Fällen privat telefoniert haben,
beispielsweise bei privaten Krankheitsfällen oder ähnlichem. Es erzeugt
Widerstand auf allen Ebenen. Diejenigen, die bisher kaum telefoniert haben,
bauen Groll gegen jene auf, denen die neue Regel zu verdanken ist und die
vermeintlich „Schuldigen“ bauen Widerstand auf, weil sie sich in ihrer Freiheit
beschnitten fühlen. Die Folge ist also Groll im Team, Groll gegen die
Geschäftsführung und eine Motivation auf Tauchkurs. Das Resultat wird zudem
sein, dass diejenigen, die privat telefonieren wollen, andere Möglichkeiten
finden werden dies zu tun, sei es heimlich auf der Toilette, versteckt hinter
einer Maschine oder wo auch immer.
Wenn Sie das Thema hingegen mit einer
Unterscheidung für die Mitarbeiter angehen, halten Sie die Türen für Teamwork
und Motivation offen. Im konkreten Fall sah die Unterscheidung in einem
mittelständischen Unternehmen für die Mitarbeiter wie folgt aus:
Das gesamte Team wurde
zusammengerufen und die für die Produktion wichtigen sogenannten hellen
Prinzipien der Fertigung wurden gemeinsam bestimmt. Die 3 Säulen waren
Teamwork, Qualitätsbewusstsein und Disziplin. Das gesamte Team war sich
diesbezüglich einig. Der zweite Schritt bestand darin zu fragen, ob jeder einzelne
sich mit diesen Prinzipien identifizieren kann und bereit ist, für diese
Prinzipien einzustehen. Für alle im Team war dies selbstverständlich und sie
wollten gerne dafür einstehen. Schließlich war das ihr Job. Um diese
Verpflichtung abzusichern, wurde anschließend die Gegenfrage gestellt: „Möchte
sich irgendjemand diesen Prinzipien nicht verpflichten?“, die von jedem
einzelnen mit nein beantwortet wurde (erst durch Klärung dieser Gegenfrage
haben Sie ein glasklare Verpflichtung). Im dritten Schritt kam die Verlinkung
zum ursprünglichen Problem der privaten Handynutzung. Die Unterscheidung
lautete: „Dies sind die hellen Prinzipien der Fertigung, denen sich soeben
jeder verpflichtet hat. Eine übermäßige private Handynutzung steht sowohl dem
Prinzip Teamwork als auch den Prinzipien Qualitätsbewusstsein und Disziplin
entgegen und untergräbt diese und damit das gesamte Team massiv. Wie wollen Sie
das miteinander vereinbaren?“ Stille im Raum. „Wie würde es sich anfühlen, das
Team zu untergraben und nicht voll zu unterstützen? Würden Sie wollen, dass
jemand gegen Sie arbeitet?“ Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Es
war spürbar, wie diese Unterscheidung in jedem einzelnen landete. Die
Unterscheidung und Verknüpfung mit den Prinzipien der Fertigung gab den
Mitarbeitern neue Klarheit und Kraft. Sie vereinbarten den sogenannten
Handy-Deal: Sobald ein Kollege verantwortungslos handeln will und auffällt,
dass er übermäßig privat telefoniert, reagiert das Team in Echtzeit. Dabei kann
ein einzelner oder das gesamte Team denjenigen darauf hinweisen, dass er sich
auf die 3 hellen Prinzipien verpflichtet hat. Sollte der nachlässige Kollege
diesen Prinzipien doch nicht dienen und damit das Team nicht entsprechend
unterstützen wollen, würde er selbst feststellen, dass er am falschen Platz
ist.
Bei der Unterscheidung im obigen Fall
geht es also nicht um die eigentliche Handy-nutzung, sonder darum, dass sich
der Mitarbeiter bestimmten Prinzipien verpflichtet hat, die in der Fertigung
ein bestimmten Kontext erzeugen, der wiederum eine intensive private
Handynutzung ausschließt. Bei den Mitarbeitern kam dieses Vorgehen großartig
an. Die meisten hatten im Vorfeld befürchtet, dass „jetzt schon wieder jemand
vom Management so eine Regel kommt“ und waren mit entsprechendem
Motivationsdefizit und innerem Widerstand zum Meeting erschienen. Umso
überraschter waren sie, dass sie weder als Team noch einzelne Personen
angegangen und gemaßregelt wurden. Es war Miteinander, Teamwork und Kreativität
im Raum. Die Mitarbeiter wurden durch das gemeinsame Erarbeiten zum einen
„abgeholt“ und sie machten gleichzeitig die Erfahrung von Teamwork. Das Thema
der privaten Handynutzung ist seitdem nicht wieder aufgetaucht, da die
Mitarbeiter durch die Unterscheidung ein neues Bewusstsein für ihre Abteilung
und ihre Arbeit entwickelt haben.
Unterscheidungen sind dabei weder
Regeln, noch Glaubenssätze. Sie sind erfahrbar, schärfen die Wahrnehmung und
ermächtigen die Person, die die jeweilige Unterscheidung erhält und geben ihr
neue Möglichkeiten.
Hier noch ein anderes Beispiel:
Angenommen, ein Kollege hat die
Angewohnheit, grundsätzlich zu spät zum Meeting zu kommen und dann die Tür offen
zu lassen. Was nun? Eine Möglichkeit wäre, zu dem Kollegen zu gehen und ihm
eine Regel an den Kopf zu schmeißen: „Die Tür des Besprechungsraumes soll
geschlossen werden.“ Oder noch vorwurfsvoller: „Mann, wir haben dir schon zig
mal gesagt, dass Du die Tür schließen sollst“. Mit dieser Regel herrscht sofort
dicke Luft, Trennung (wir gehen ihn), der Kollege geht möglicherweise in
Widerstand und ein Teil in ihm nimmt das Gesagte alles andere als erst. Also
wird er weiterhin schon aus Protest, dass jemand versucht, ihn zu maßregeln,
die Tür weiter offen lassen. Dies wäre eine klassische Trotz-Reaktion, die bei
Regeln oft passiert.
Die Alternative könnte wie folgt
aussehen: Angenommen Sie sind eine der Personen, die sich an der offenen Tür
stört, dann könnten Sie z. B. nach dem Meeting zu dem Kollegen gehen und sagen: „Mir ist
etwas aufgefallen und ich hätte eine Unterscheidung, die ich gerne mit Dir
teilen möchte. Hast Du kurz Zeit?“ Wenn er ja sagt, bleiben Sie mit ihm im
Meetingraum und schließen die Tür hinter sich. Bitten Sie ihn, sich auf einen
Stuhl zu setzen, sodass er die Tür sehen kann und setzen Sie sich ihm
gegenüber. Beginnen Sie einfach von Ihrer Erfahrung im Meeting zu erzählen
(sprechen Sie von sich und vermeiden Sie Du-Botschaften): „Mir ist heute aufgefallen,
welchen Einfluss kleine Veränderungen im Raum auf eine Besprechung haben
können. Vorhin stand beispielsweise die Tür offen. Kurz darauf habe ich
wahrgenommen, dass das Team kurzzeitig unruhig wurde, weil der gesamte Raum durch
diese Veränderung unsicher wurde. Als jemand die Tür wieder geschlossen hat,
hat sich die Unruhe wieder gelegt. Ist dir das aufgefallen?“ Er wird vermutlich
nein sagen, denn es handelt sich in der Regel um eine unbewusste
Gremlin-Handlung (der Gremlin ist der König Ihrer eigenen Unterwelt, der es
liebt, unverantwortlich zu agieren und zu sabotieren). Sagen Sie, dass Sie ihn
gerne zu einem kurzen Experiment einladen wollen. „Ich würde diese Wahrnehmung
gerne noch einmal kurz gemeinsam mit Dir erforschen. Lass uns einmal annehmen,
wir zwei hätten jetzt eine sehr wichtige Besprechung. Wie fühlt sich der Raum
im Augenblick für Dich an? Fühlt es sich in diesem Raum sicher an, eine
wichtige Besprechung zu halten?“ Er wird vermutlich ja sagen. Erzählen Sie
auch, wie sich der Raum für sich anfühlt. Dann gehen Sie zur Tür, machen Sie
einen großen Spalt auf und setzen sich wieder ihm gegenüber hin. Fragen Sie
ihn, wie es sich jetzt anfühlt und was er wahrnimmt. In den meisten Fällen wird
die andere Person den subtilen Unterschied wahrnehmen und zwar nicht nur
intellektuell, dass die Tür nun offen ist, sondern sie wird eine körperliche und/oder
energetische Erfahrung machen, dass der Raum durch die offene Tür unsicherer
wird. Teilen Sie auch hier wieder Ihren eigenen Eindruck mit. Danach beenden
Sie das Experiment, indem Sie ihm sagen: „Cool, danke, dass Du mit mir
experimentiert hast. Danke für Deine Zeit.“ Die Wahrscheinlichkeit ist groß,
dass er in Zukunft die Tür schließt, da er selbst körperlich die Erfahrung
gemacht hat, was eine offene Tür bewirkt.
Dies sollen einfach nur zwei
Beispiele für Unterscheidungen sein. Das bedeute nicht, dass es genau so
ablaufen muss. Wie so oft im Leben ist es eine Frage des Timings und der
Wortwahl, wann und wie Unterscheidungen angemessen sind. Eines steht jedoch
fest: Unterscheidungen schließen ein, verbinden, sorgen für Klarheit, bauen
Matrix auf und erhöhen die Motivation, achtsamer zu sein.
Im Folgenden finden Sie nochmals eine
Gegenüberstellung der wesentlichen Unterschiede zwischen Regeln und
Unterscheidungen.
Eigenschaften
von Regeln
|
Eigenschaften
von Unterscheidungen
|
Adressieren nur den Intellekt
|
Landen vollständig im Körper
|
Sind nicht erfahrbar. Erzeugen keinen neuen,
inneren Referenzpunkt
|
Sind erfahrbar. Generieren einen neuen, inneren
Referenzpunkt
|
Bauen keine Matrix auf
|
Bauen Matrix auf
|
Sind starr / unflexibel
|
Sind umfassend
|
Versuchen, Verhaltensänderung zu erzwingen
|
Erzeugen Verhaltensänderung aus eigenem Antrieb
|
Erzeugen Widerstand und/oder Trotz
|
Erzeugen Klarheit
|
Basieren auf hierarchischem Druck bzw. werden
„von oben“ festgelegt. Implizieren u.
U. personalrechtliche Konsequenzen
|
Sind nicht an Hierarchie gebunden. Funktionieren
ohne Druck
|
Sind Motivationskiller
|
Fördern Motivation
|
Trennen / schließen aus / machen kurzen Prozess
|
Verbinden / Schließen ein
|
Holen die Mitarbeiter nicht ab
|
Holen die Mitarbeiter ab
|
Manipulieren Mitarbeiter mit subtiler Angst
|
Implizieren keinerlei Manipulation
|
Produzieren angepasstes Verhalten
|
Unterstützen und ermächtigen Menschen
|
Führen zu Positionsverhaftung / Basieren auf
„Rechthaben“
|
Führen zu Miteinander / Fördern Teamwork
|
Produzieren „schlafende, folgende Schafe“
|
Schärfen die Wahrnehmung. Die Mitarbeiter nehmen
immer feinere Details wahr.
|
Es ist nicht unbedingt einfach, von den gewohnten Regeln hin zu Unterscheidungen zu wechseln. Dazu gehört Aufmerksamkeit, Wachsamkeit und die Bereitschaft, gewohnte Denkmuster zu durchbrechen. Der Unterschied zeigt sich jedoch letztendlich in der Akzeptanz und der Zufriedenheit der Mitarbeiter. Und dafür lohnt es sich, zu gehen.
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