Montag, 16. Februar 2015

NEW WORK: Mitarbeitermotivation - Die unterschiedliche Wirkung von Regeln versus Unterscheidungen




Ein Thema, das in Unternehmen immer wieder auftaucht, ist die Motivation von Mitarbeitern und die Frage, wie die Motivation aufrecht erhalten bzw. gesteigert werden kann. Eine wesentlich gefährlichere Frage ist jedoch, was Motivation und Leistungs-bereitschaft von Mitarbeitern gefährdet bzw. zerstört. Die Faktoren sind sicherlich vielfältig. Ein entscheidender Faktor sind jedoch Regeln und ganze Regelwerke.  

In vielen Unternehmen ist es Gang und Gäbe, Regeln aufzusetzen, um einen vermeintlich reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Es wird versucht, durch Regeln eine gewisse Struktur aufzubauen. Tatsächlich sind Regeln jedoch einer der Hauptfaktoren, der die Motivation von Mitarbeitern beeinträchtigt, denn Regeln versuchen, ein bestimmtes Verhalten oder eine Verhaltensänderungen zu erzwingen. Dabei werden Regeln meist durch die Geschäftsführung selbst oder aber Personen höherer Hierarchiestufen festgesetzt. Entsprechend der Hierarchiestufe wird der aufoktroyierten Regel dann Gewicht beigemessen. Lautet die Antwort auf die Frage „Wer hat die Regel denn jetzt erfunden“ klipp und klar „Der Chef“, so ist recht schnell Schweigen im Walde. Regeln funktionieren meist über hierarchischen Druck, was nichts anderes ist, als Manipulation der Mitarbeiter durch das Erzeugen subtiler Angst. Sobald Regeln „von oben“ vorgegeben werden, verfallen zahlreiche Mitarbeiter entweder in eine Art „Kaninchen-Schockstarre“ und befolgen mechanisch die Regeln aus Angst, sonst in eine Konfliktsituation zu geraten. Oder aber sie geben komplett ihre eigene Autorität und Kraft an den/die Vorgesetzten ab und entwickeln eine Art Gleichgültigkeit getreu dem Motto „Da kann man ja eh nichts machen. Also machen wir den Mist jetzt halt.“ Dieser Art Gleichgültigkeit liegt unbewusste Wut zugrunde, welche sich über die Zeit hinweg in beständigen Groll verwandelt. Was beide Fälle gemein haben, ist die Tatsache, dass sich die Mitarbeiter komplett angepasst verhalten.

Regeln erzeugen oftmals Widerstand und killen damit Motivation. Regeln sind starr und unflexibel. Sie lassen keinerlei Abweichungen zu. Sie haben stattdessen eine ähnliche Energie wie Gesetze, die unumstößlich sind und holen die Mitarbeiter nicht ab. Das liegt vor allem daran, dass Regeln ausschließlich den Intellekt adressieren. Logische (oder auch nicht logische) Worte werden zu einer Regel geformt, die es zu befolgen gilt. Entweder die Mitarbeiter verstehen die Regel intellektuell oder nicht. Versteht eine Person eine Regel nicht, ist eine gängige Aussage „Müssen Sie auch nicht. Halten Sie sich einfach dran.“

Regeln geben vor, wie etwas zu sein hat oder sich Mitarbeiter zu verhalten haben. Hinter der vorgehaltenen Hand erfolgt der Zusatz „Stellen Sie die Regeln bloß nicht in Frage.“
Wer Regeln bestimmen kann, hat also Macht. Fakt ist, das Regeln alles andere als förderlich für die Motivation von Mitarbeitern sind. Doch welche andere Möglichkeit gäbe es, Mitarbeiter zu bewegen, ein bestimmtes Verhalten an den Tag zu legen?

Eine Möglichkeit ist, den Mitarbeitern stattdessen Unterscheidungen zu geben. Eine Unterscheidung teilt eine Masse von Dingen in verschiedene Kategorien. Was bedeutet das konkret. Wenn Sie beispielsweise „Geräusche“ als Masse nehmen, dann machen Sie an einem bestimmten Punkt die Erfahrung, dass es unterschiedliche Geräusche gibt, nämlich beispielsweise Autolärm, Stimmen, Naturgeräusche, Musik, etc. Damit haben Sie eine Unterscheidung. Nehmen Sie als nächstes die Kategorie der Musik, so erleben Sie weiter, dass es Rock, Pop, Klassik, etc. gibt. Bei der Klassik stellen Sie im weiteren Verlauf möglicherweise fest, dass es Klaviermusik, Violinenmusik, Musicals, Opern, Operetten, etc. gibt. Gehen Sie weiter, so hören Sie eines Tages, dass es bei der Klaviermusik Unterschiede zwischen Mozart, Beethoven, Schubert und weiteren Komponisten gibt und so weiter. Durch mehr und mehr Unterscheidungen können Sie also immer feiner Details wahrnehmen.

Im Gegensatz zu Regeln, sind Unterscheidungen erfahrbar. Das bedeutet, sie adressieren nicht nur den Intellekt, sondern landen vollständig in Ihrem Körper, sodass Sie anschließend einen neuen inneren Referenzpunkt haben. Ein entscheidender Unterschied ist darüber hinaus, dass Unterscheidungen sogenannte Matrix aufbauen. Matrix ist die energetische Struktur, an dem Bewusstsein wachsen kann. Das Beispiel von Kletterrosen bietet hier einen passenden Vergleich. Hätten die Rosen kein Gitter, an dem sie hochwachsen könnten, würden diese lediglich ärmlich am Boden herumkriechen. Durch das Gitter können Sie jedoch in ihrer vollen Kraft und Blüte erstrahlen. Unterscheidungen sorgen dafür, dass solch ein energetisches Gitter – Matrix genannt - in einem Menschen aufgebaut wird und die Person mehr und mehr Bewusstsein halten kann. Steigt das Bewusstsein, wird automatisch anderes Verhalten möglich. Die Verhaltensänderung entsteht in diesem Fall  aus eigenem, inneren Antrieb und der Erfahrung, dass etwas anderes besser funktioniert als das Gewöhnliche.

Hier ein Beispiel:
Angenommen in einer Firma sei aufgefallen, dass einige Mitarbeiter in der Produktion wiederholt während der Arbeitszeit mit dem Handy privat telefonieren und die Geschäftsführung dies unterbinden möchte. Aus der Hierarchie heraus wäre es ein leichtes, die Regel zu erlassen, dass ab sofort Handyverbot während der Arbeitszeit herrscht. Bei Missachtung ist mit personalrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Knall-bumm. Fertig. Keine Diskussion. Nur was macht das mit den Mitarbeitern? Vor allem mit jenen, die bisher nur in dringenden Fällen privat telefoniert haben, beispielsweise bei privaten Krankheitsfällen oder ähnlichem. Es erzeugt Widerstand auf allen Ebenen. Diejenigen, die bisher kaum telefoniert haben, bauen Groll gegen jene auf, denen die neue Regel zu verdanken ist und die vermeintlich „Schuldigen“ bauen Widerstand auf, weil sie sich in ihrer Freiheit beschnitten fühlen. Die Folge ist also Groll im Team, Groll gegen die Geschäftsführung und eine Motivation auf Tauchkurs. Das Resultat wird zudem sein, dass diejenigen, die privat telefonieren wollen, andere Möglichkeiten finden werden dies zu tun, sei es heimlich auf der Toilette, versteckt hinter einer Maschine oder wo auch immer.

Wenn Sie das Thema hingegen mit einer Unterscheidung für die Mitarbeiter angehen, halten Sie die Türen für Teamwork und Motivation offen. Im konkreten Fall sah die Unterscheidung in einem mittelständischen Unternehmen für die Mitarbeiter wie folgt aus:

Das gesamte Team wurde zusammengerufen und die für die Produktion wichtigen sogenannten hellen Prinzipien der Fertigung wurden gemeinsam bestimmt. Die 3 Säulen waren Teamwork, Qualitätsbewusstsein und Disziplin. Das gesamte Team war sich diesbezüglich einig. Der zweite Schritt bestand darin zu fragen, ob jeder einzelne sich mit diesen Prinzipien identifizieren kann und bereit ist, für diese Prinzipien einzustehen. Für alle im Team war dies selbstverständlich und sie wollten gerne dafür einstehen. Schließlich war das ihr Job. Um diese Verpflichtung abzusichern, wurde anschließend die Gegenfrage gestellt: „Möchte sich irgendjemand diesen Prinzipien nicht verpflichten?“, die von jedem einzelnen mit nein beantwortet wurde (erst durch Klärung dieser Gegenfrage haben Sie ein glasklare Verpflichtung). Im dritten Schritt kam die Verlinkung zum ursprünglichen Problem der privaten Handynutzung. Die Unterscheidung lautete: „Dies sind die hellen Prinzipien der Fertigung, denen sich soeben jeder verpflichtet hat. Eine übermäßige private Handynutzung steht sowohl dem Prinzip Teamwork als auch den Prinzipien Qualitätsbewusstsein und Disziplin entgegen und untergräbt diese und damit das gesamte Team massiv. Wie wollen Sie das miteinander vereinbaren?“ Stille im Raum. „Wie würde es sich anfühlen, das Team zu untergraben und nicht voll zu unterstützen? Würden Sie wollen, dass jemand gegen Sie arbeitet?“ Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Es war spürbar, wie diese Unterscheidung in jedem einzelnen landete. Die Unterscheidung und Verknüpfung mit den Prinzipien der Fertigung gab den Mitarbeitern neue Klarheit und Kraft. Sie vereinbarten den sogenannten Handy-Deal: Sobald ein Kollege verantwortungslos handeln will und auffällt, dass er übermäßig privat telefoniert, reagiert das Team in Echtzeit. Dabei kann ein einzelner oder das gesamte Team denjenigen darauf hinweisen, dass er sich auf die 3 hellen Prinzipien verpflichtet hat. Sollte der nachlässige Kollege diesen Prinzipien doch nicht dienen und damit das Team nicht entsprechend unterstützen wollen, würde er selbst feststellen, dass er am falschen Platz ist.

Bei der Unterscheidung im obigen Fall geht es also nicht um die eigentliche Handy-nutzung, sonder darum, dass sich der Mitarbeiter bestimmten Prinzipien verpflichtet hat, die in der Fertigung ein bestimmten Kontext erzeugen, der wiederum eine intensive private Handynutzung ausschließt. Bei den Mitarbeitern kam dieses Vorgehen großartig an. Die meisten hatten im Vorfeld befürchtet, dass „jetzt schon wieder jemand vom Management so eine Regel kommt“ und waren mit entsprechendem Motivationsdefizit und innerem Widerstand zum Meeting erschienen. Umso überraschter waren sie, dass sie weder als Team noch einzelne Personen angegangen und gemaßregelt wurden. Es war Miteinander, Teamwork und Kreativität im Raum. Die Mitarbeiter wurden durch das gemeinsame Erarbeiten zum einen „abgeholt“ und sie machten gleichzeitig die Erfahrung von Teamwork. Das Thema der privaten Handynutzung ist seitdem nicht wieder aufgetaucht, da die Mitarbeiter durch die Unterscheidung ein neues Bewusstsein für ihre Abteilung und ihre Arbeit entwickelt haben.

Unterscheidungen sind dabei weder Regeln, noch Glaubenssätze. Sie sind erfahrbar, schärfen die Wahrnehmung und ermächtigen die Person, die die jeweilige Unterscheidung erhält und geben ihr neue Möglichkeiten.

Hier noch ein anderes Beispiel:
Angenommen, ein Kollege hat die Angewohnheit, grundsätzlich zu spät zum Meeting zu kommen und dann die Tür offen zu lassen. Was nun? Eine Möglichkeit wäre, zu dem Kollegen zu gehen und ihm eine Regel an den Kopf zu schmeißen: „Die Tür des Besprechungsraumes soll geschlossen werden.“ Oder noch vorwurfsvoller: „Mann, wir haben dir schon zig mal gesagt, dass Du die Tür schließen sollst“. Mit dieser Regel herrscht sofort dicke Luft, Trennung (wir gehen ihn), der Kollege geht möglicherweise in Widerstand und ein Teil in ihm nimmt das Gesagte alles andere als erst. Also wird er weiterhin schon aus Protest, dass jemand versucht, ihn zu maßregeln, die Tür weiter offen lassen. Dies wäre eine klassische Trotz-Reaktion, die bei Regeln oft passiert.

Die Alternative könnte wie folgt aussehen: Angenommen Sie sind eine der Personen, die sich an der offenen Tür stört, dann könnten Sie z. B. nach dem Meeting  zu dem Kollegen gehen und sagen: „Mir ist etwas aufgefallen und ich hätte eine Unterscheidung, die ich gerne mit Dir teilen möchte. Hast Du kurz Zeit?“ Wenn er ja sagt, bleiben Sie mit ihm im Meetingraum und schließen die Tür hinter sich. Bitten Sie ihn, sich auf einen Stuhl zu setzen, sodass er die Tür sehen kann und setzen Sie sich ihm gegenüber. Beginnen Sie einfach von Ihrer Erfahrung im Meeting zu erzählen (sprechen Sie von sich und vermeiden Sie Du-Botschaften): „Mir ist heute aufgefallen, welchen Einfluss kleine Veränderungen im Raum auf eine Besprechung haben können. Vorhin stand beispielsweise die Tür offen. Kurz darauf habe ich wahrgenommen, dass das Team kurzzeitig unruhig wurde, weil der gesamte Raum durch diese Veränderung unsicher wurde. Als jemand die Tür wieder geschlossen hat, hat sich die Unruhe wieder gelegt. Ist dir das aufgefallen?“ Er wird vermutlich nein sagen, denn es handelt sich in der Regel um eine unbewusste Gremlin-Handlung (der Gremlin ist der König Ihrer eigenen Unterwelt, der es liebt, unverantwortlich zu agieren und zu sabotieren). Sagen Sie, dass Sie ihn gerne zu einem kurzen Experiment einladen wollen. „Ich würde diese Wahrnehmung gerne noch einmal kurz gemeinsam mit Dir erforschen. Lass uns einmal annehmen, wir zwei hätten jetzt eine sehr wichtige Besprechung. Wie fühlt sich der Raum im Augenblick für Dich an? Fühlt es sich in diesem Raum sicher an, eine wichtige Besprechung zu halten?“ Er wird vermutlich ja sagen. Erzählen Sie auch, wie sich der Raum für sich anfühlt. Dann gehen Sie zur Tür, machen Sie einen großen Spalt auf und setzen sich wieder ihm gegenüber hin. Fragen Sie ihn, wie es sich jetzt anfühlt und was er wahrnimmt. In den meisten Fällen wird die andere Person den subtilen Unterschied wahrnehmen und zwar nicht nur intellektuell, dass die Tür nun offen ist, sondern sie wird eine körperliche und/oder energetische Erfahrung machen, dass der Raum durch die offene Tür unsicherer wird. Teilen Sie auch hier wieder Ihren eigenen Eindruck mit. Danach beenden Sie das Experiment, indem Sie ihm sagen: „Cool, danke, dass Du mit mir experimentiert hast. Danke für Deine Zeit.“ Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er in Zukunft die Tür schließt, da er selbst körperlich die Erfahrung gemacht hat, was eine offene Tür bewirkt.

Dies sollen einfach nur zwei Beispiele für Unterscheidungen sein. Das bedeute nicht, dass es genau so ablaufen muss. Wie so oft im Leben ist es eine Frage des Timings und der Wortwahl, wann und wie Unterscheidungen angemessen sind. Eines steht jedoch fest: Unterscheidungen schließen ein, verbinden, sorgen für Klarheit, bauen Matrix auf und erhöhen die Motivation, achtsamer zu sein.

Im Folgenden finden Sie nochmals eine Gegenüberstellung der wesentlichen Unterschiede zwischen Regeln und Unterscheidungen.

Eigenschaften von Regeln
Eigenschaften von Unterscheidungen
Adressieren nur den Intellekt
Landen vollständig im Körper
Sind nicht erfahrbar. Erzeugen keinen neuen, inneren Referenzpunkt
Sind erfahrbar. Generieren einen neuen, inneren Referenzpunkt
Bauen keine Matrix auf
Bauen Matrix auf
Sind starr / unflexibel
Sind umfassend
Versuchen, Verhaltensänderung zu erzwingen
Erzeugen Verhaltensänderung aus eigenem Antrieb
Erzeugen Widerstand und/oder Trotz
Erzeugen Klarheit
Basieren auf hierarchischem Druck bzw. werden „von oben“ festgelegt.  Implizieren u. U. personalrechtliche Konsequenzen
Sind nicht an Hierarchie gebunden. Funktionieren ohne Druck
Sind Motivationskiller
Fördern Motivation
Trennen / schließen aus / machen kurzen Prozess
Verbinden / Schließen ein
Holen die Mitarbeiter nicht ab
Holen die Mitarbeiter ab
Manipulieren Mitarbeiter mit subtiler Angst
Implizieren keinerlei Manipulation
Produzieren angepasstes Verhalten
Unterstützen und ermächtigen Menschen
Führen zu Positionsverhaftung / Basieren auf „Rechthaben“
Führen zu Miteinander / Fördern Teamwork
Produzieren „schlafende, folgende Schafe“
Schärfen die Wahrnehmung. Die Mitarbeiter nehmen immer feinere Details wahr.

Es ist nicht unbedingt einfach, von den gewohnten Regeln hin zu Unterscheidungen zu wechseln. Dazu gehört Aufmerksamkeit, Wachsamkeit und die Bereitschaft, gewohnte Denkmuster zu durchbrechen. Der Unterschied zeigt sich jedoch letztendlich in der Akzeptanz und der Zufriedenheit der Mitarbeiter. Und dafür lohnt es sich, zu gehen. 

                                                                                                                (Autorin: Nicola Nagel)


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