- es gäbe dann keinerlei hierarchische Strukturen mehr in einem Unternehmen,
- alle seien gleichgestellt und
- jeder könne machen was er wolle ohne sich an irgendwelche Vorgaben halten zu müssen.
Es gibt Hierarchie und Hierarchie
Um eines gleich vorweg zu nehmen: Es gibt Hierarchie und Hierarchie! Wenn wir von einer neuen Art des Arbeitens sprechen, kann Hierarchielosigkeit nur eines bedeuten, nämlich dass sich der bisherige, gewöhnliche Hierarchiegedanke im Sinne von Rangordnung und Machtmissbrauch auflöst. Das Wort Hierarchie kommt ursprünglich aus dem Griechischen und ist abgeleitet von:
1. hieros = heilig, heil (heilig und heil bedeuten in diesem Zusammenhang ganz, gesund, erfolgreich, göttlich)
2. arche = Führung
Frei übersetzt bedeutet Hierarchie im ursprünglichen Sinne also gesunde Führung, die alles mit einbezieht und heilbringend ist. Ab dem 17. Jahrhundert wurde dem Wort durch die Kirche jedoch eine neue Bedeutung gegeben. Seither ist Hierarchie verbunden mit Rangordnung, Über- bzw. Unterstellung und damit dem Ausüben von Macht. Der ursprüngliche Sinn und die noble Absicht von außergewöhnlicher Hierarchie sind verlorengegangen, während sich der angepasste Begriff – lassen Sie uns dazu gewöhnliche Hierarchie sagen - über 2 Jahrhunderte in unsere Zellen eingebrannt hat und immer weiter propagiert wurde.
Gewöhnliche Hierarchie ist die Struktur, die in den meisten Unternehmen und im Wirtschafts-system vorherrscht. Gewöhnliche Hierarchie basiert auf Konkurrenz und dem Spiel „Ich gewinne – Du verlierst“. Dieses Spiel geht von einem grundsätzlichen Mangel aus, d. h. beispielsweise einem Mangel an Ressourcen, Geld, guten Jobs, Anerkennung, Aufmerksamkeit, etc.
Die Be-Wert-ung, also welchen Wert eine Person hat, hängt davon TUN und HABEN einer Person ab, nicht aber von ihrem SEIN. Der Wert wird beispielsweise daran gemessen, ob bzw. welchen Universitätsabschluss ein Mitarbeiter hat, welches Wissen er hat, bis zu welcher Position er sich hochgearbeitet hat und welche einflussreichen Verbindungen er ggfs. nutzen kann. Diese Aspekte – und noch einige mehr -bilden den Rahmen für die herkömmliche Gehaltsfindung.
Zudem gibt es in einer gewöhnlichen Hierarchie aufgrund der strengen Rangordnung und Positionsverhaftungen in der Regel ebenso strenge Kommunikations- und Entscheidungswege, die einzuhalten sind. Wer über die Begrenzungen seiner Jobbeschreibung bzw. seines Titels hinausgeht, wird normalerweise schnell zurück gepfiffen mit dem Hinweis, das überschreite seine Befugnis oder seinen Tätigkeitsbereich. Das hat zur Folge, dass Mitarbeiter oftmals nur insoweit Verantwortung übernehmen, als es für ihren Job gerade eben nötig ist. Verantwortung ist eher ein notwendiges Übel denn eine willkommene Herausforderung, die Freude macht. Letztendlich liegt die Verantwortung sowieso beim Vorgesetzten, ein Konstrukt auf dem sich viele Mitarbeiter ausruhen.
Was weiterhin in einer gewöhnlichen Hierarchie oftmals üblich ist, ist die Tatsache, dass top down entschieden wird und beispielsweise neue Konzepte oder Regeln den Mitarbeitern übergestülpt werden. „Ober sticht unter“ heißt das Motto und allzu häufig wird die mit der hierarchischen Position verbundene Macht missbraucht (z. B. in Form von Drohungen, Kleinmachen, Manipulation oder – im schlimmsten Fall – emotionalem und psychischem Missbrauch der Mitarbeiter durch Anschreien und Erniedrigung durch Vorgesetzte).
In einer gewöhnlichen Hierarchie stehen die persönlichen Ziele im Vordergrund und involvieren ein großes Maß an Kontrolle, um diese Ziele zu erreichen.
Gewöhnliche Hierarchie ist dabei nicht gut und nicht schlecht. Es zeigt sich jedoch, dass diese Art von Unternehmensstruktur nicht mehr zielführend ist, da sie zum einen die Unternehmen hemmt, in einem sich schnell verändernden Umfeld agil und flexibel zu sein und zum anderen die Burnout Rate bei Mitarbeitern aufgrund hierarchischen Drucks in einem Maße angestiegen ist, das eine Neuausrichtung erfordert (bis zu 13 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland sind nach Schätzungen von Gesundheitsexperten und Krankenkassen von Burnout betroffen. Mehr dazu siehe http://www.muenchener-institut.de/beratung-fuer-unternehmen/zahlen-daten-fakten/).
Das eingangs erwähnte Missverständnis besteht darin, dass einige Menschen meinen, es ginge darum, dass die Hierarchie in Unternehmen komplett verschwindet. Darum geht es jedoch genau nicht! Hierarchielosigkeit meint vielmehr, dass gewöhnliche Hierarchie nicht mehr zielführend ist und ein Umdenken erfordert. Hierarchie muss nicht aus den Firmen verschwinden, sondern muss sich ändern! Hierarchielosigkeit meint daher nicht, dass jeder machen kann, was er will und daraus eine Gleichmacherei oder Wurstigkeit resultiert. Das würde definitiv in einem unternehmerischen Chaos enden.
In der Natur und in jedem System, das Menschen involviert, gibt es Machtstrukturen, egal, ob Sie diese formalisieren oder nicht. Eine Neuausrichtung orientiert sich daher an der natürlichen Ordnung. Neue Unternehmensstrukturen in Form einer Netzwerk- oder Galaxie-Struktur beinhalten eine natürliche Ordnung, sodass eine dynamische Hierarchie entsteht. Diese Art Hierarchie ist selbst entstehend.
Autorität und Befugnis basieren in einer dynamischen Hierarchie darauf, wer das meiste Wissen, die größte Erfahrung und das beste Talent für einen spezifischen Kontext oder ein spezifisches Projekt hat. Das kann eine Person sein, die schon lange im Unternehmen ist und einen Universitätsabschluss hat, das muss jedoch nicht sein. Im Sinne von New Work gibt es in einer selbst entstehenden, dynamischen Hierarchie keinen vordefinierten Weg, um eine konkrete Rolle inne zu haben. Wer welche Rolle in einem Projekt oder für einen Aufgabenbereich übernimmt, ergibt sich auf natürliche Art und Weise. Diejenigen, die bereit sind einen hohen Grad an Verantwortung für eine Aufgabe zu übernehmen, die ihren Talenten und ihrer Erfahrung entspricht, kristallisieren sich automatisch als sogenannte Raumhalter heraus. Entscheidungsbefugnis hängt in dieser Art Unternehmensstruktur also von der Bereitschaft hab, Verantwortung zu übernehmen.
Dynamische Hierarchie hat meist eine Galxie-Struktur zur Folge, da die Mitarbeiter entsprechend ihren Erfahrungen und Talenten eingesetzt werden, und dadurch nicht mehr zwangsläufig an eine Abteilung gebunden, oder durch einen Jobtitel begrenzt sind. Es geht vielmehr darum, welches die Seins-Qualitäten eines Mitarbeiters sind, d. h. was ihn in seinem Kern ausmacht, und wie er diese in das Unternehmen einbringen kann. Das Spiel, das einer dynamischen Hierarchie mit Raumhaltern zugrunde liegt nennt sich Gewinnen Geschieht. Im Gegensatz zum alt bekannten Spiel Ich gewinne – Du verlierst geht es bei Gewinnen Geschieht nicht nur um Kooperation, sondern um kreative Kollaboration. Konkret bedeutet das, es wird nicht nur miteinander sondern füreinander gearbeitet, denn die Absicht ist, dass alle Beteiligten gewinnen. Dieses Spiel involviert, dass beispielsweise die Mitarbeiter in einem Projekt Bewusstheit über die sogenannten hellen Prinzipien haben, die das Projekt ausmachen bzw. tragen, sich gemeinsam dafür einsetzen und sich bei Bedarf gegenseitig unterstützen.
Bei einer dynamischen, natürlichen Hierarchie geht es somit darum, dass verantwortliche Raumhalter:
- begleiten und koordinieren, anstatt zu befehlen
- raumhalten und unterstützen, anstatt zu kontrollieren
- Team-Mitglieder ermächtigen, ihr bestes zu geben und sie selbst zu sein, anstatt sie klein zu machen. (siehe hierzu auch den Artikel von Francesca Pick „Cut the bullshit: organizations with no hierarchy don’t exist“, https://medium.com/ouishare-connecting-the-collaborative-economy/cut-the-bullshitorganizations- with-no-hierarchy-dont-exist-f0a845e73a80 )
Die entscheidende Frage ist: Sind Sie bereit, sich das einzugestehen und ein neues Spiel zu beginnen?
Im Folgenden finden Sie nochmals eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Aspekte von gewöhnlicher Hierarchie und außergewöhnlicher, dynamischer Hierarchie durch Raumhalten.
(Autorin: Nicola Nagel)
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